Imkerschule: Die Invasion der Bienenzüchter

Imkerschule Invasion Bienenzuechter
Imkerschule Invasion Bienenzuechter(c) Dapd (Volker Hartmann)
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Die Wiener Imkerschule wird derzeit überrannt. Die Zahl der mittleren und größeren Imkereibetriebe nimmt ab, die der Hobbyimker steigt an. In Krisenzeiten gibt die Zucht Sicherheit – und einen Nebenverdienst.

Andreas Bauer (37) ist technischer Angestellter. Thomas Lechner (40) ist Gärtner. Gerlinde Großlercher (47) wechselt gerade den Beruf. Gemeinsam ist diesen drei unterschiedlichen Menschen die Schulbank, die sie gerade drücken. Und die neue Welt, in die sie unbedingt eindringen wollen: die Welt der Biene.

Im Herbst 2011 wurde die Wiener Imkerleitung aus ihrem üblichen Jahrestrott aufgerüttelt. Gleich 100 Männer und Frauen meldeten sich für Kurse an, wollen sich Bienenvölker anschaffen, Honig schleudern, vielleicht auch Bienenprodukte verkaufen. Bisher schrieben sich höchstens 40 Interessenten jeweils für den Winter- und den Sommerkurs ein.

Möglich, dass die Aufstellung eines Bienenstockes auf dem Balkon der Staatsoper im Frühjahr 2010 und ein Jahr später unter dem Dach des Burgtheaters zur Nachahmung anregte. Ernst Wilhelm, Präsident des Landesverbandes, führt den sprunghaften Anstieg der Jungimker allerdings auch auf die nicht sehr rosige Wirtschaftslage zurück. „Immer, wenn schlechte Zeiten kommen, suchen die Leute eine Absicherung in der Freizeit und auch eine mögliche zusätzliche Verdienstquelle.“ Nachsatz: „Auch wenn sie das vielleicht nicht zugeben.“

Neues Heim, neues Hobby. Bei jenen, die die Schulbank drücken, steht freilich das Interesse an der Biene im Vordergrund. Andreas Bauer geht „ziemlich nüchtern“ an die Sache heran. „Mich interessiert das, ich möchte die Imkerei probieren.“ Anlass war seine Übersiedlung in den Bezirk Gänserndorf, dort kann er im Garten Stöcke aufstellen. Und wenn es gut laufe, dann könne man ja Honig verkaufen.

„Man ist von den Bienen fasziniert – und kann auch Geld verdienen“, findet auch Gerlinde Großlercher. Ihr Vater habe in Kärnten bis in die 1980er-Jahre Bienen gehalten und erst mit dem Auftauchen der Varroamilbe, dem schlimmsten Feind der Bienen, aufgehört. Sie selbst habe Biologie studiert – ideale Voraussetzungen also. „Ich wollte das schon länger machen, aber im kommenden Jahr fange ich an.“

Im Anfängerkurs werden rein theoretische Inhalte mit leichterer Kost vermischt. An einem Abend geht es um die Anatomie der Honigbiene, ein anderes Mal um die Königinnenzucht oder die biologische Betriebsweise. Imker Leopold Jindra lehrt über den Honig, seine Inhalte und die Qualität. Da regnet es dann Fachausdrücke rund um die Entstehung des Nektars in der Pflanze, die Anreicherung mit Enzymen; es wird über den Wassergehalt des Honigs und den Fruchtzucker gesprochen. Und das Pollenkorn, das sozusagen den genetischen Fingerabdruck jeder Pflanze darstellt.

Thomas Lechner ist einer der wenigen, die im Grundkurs bereits mitreden können. Er hat sich im Frühjahr 2011 zwei Völker angeschafft, „weil ich vom Vater einen Garten geerbt habe“. Und da habe er eben die Beobachtung machen müssen, das verschiedene Obstsorten, wie etwa die Zwetschkenbäume, nicht mehr richtig tragen. Als gelernter Gärtner tippte er sofort auf die fehlende Bestäubung. Natur, Honig, später auch der Verkauf – das sind heute Bauers Motive. Im ersten Jahr hat er mit seinen beiden Völkern 30 Kilogramm Honig geschleudert und konnte auch schon einen Erfolg einfahren: Bei der Honigprämierung der Ortsgruppe Floridsdorf landete seine Kostprobe auf den vorderen Plätzen.

Früher waren in den Grundkursen auch Personen vertreten, die sich bloß für das „Phänomen Biene“ interessierten. Jetzt aber wollen alle ihr Wissen praktisch umsetzen und mit der Imkerei beginnen. Wer im Jahr nach dem Anfängerkurs den Kauf von drei Stöcken („Magazinbeuten“) und drei Bienenvölkern nachweisen kann, erhält eine EU-Förderung in der Höhe von 285 Euro. Und die will sich keiner entgehen lassen.

Lehrplatz für Jungimker. Eine neue Form des Einstiegs hat übrigens Dominik Mühlberger (24), Student für internationale Entwicklung, gewählt. „Es ist das Interesse – und der Ausgleich zum ganztägigen Computerschauen“, sagt er. Gemeinsam mit zwei Studierenden der Bodenkultur, Katharina Weber und Nikolaus Steurer, will er jetzt zwei Völker anschaffen, die auf einem Lehrplatz der Ortsgruppe Wien-West am Wilhelminenberg aufgestellt werden. Diese Ortsgruppe hat, wie einige andere auch, einen eigenen Anfängerstand, auf dem Jungimker die ersten Jahre unter der Aufsicht des erfahrenen Imkers Johann Hladik Praxiserfahrung erwerben können.

Derzeit sind die Anfängerkurse auf drei unterschiedliche Orte verteilt. Die Wiener Imkerschule im Donaupark ist zu klein, der Vortragssaal zu beengt. Obmann Wilhelm verhandelt derzeit mit dem Stadtgartenamt, um eine Genehmigung für einen begrenzten Ausbau zu erhalten. Dafür stehen im Donaupark etwa 25 Bienenstöcke, die zu Lehrzwecken – und auch Exkursionen von Schulklassen – geeignet sind. Der Chef des Lehrbienenstandes, Alois Koska, steht zudem jeden Montagnachmittag für Auskünfte bereit, Mitarbeit (im Winter freilich kaum vorhanden) und damit Erfahrungsgewinn inbegriffen.

Wird Wien nun eine Stadt der Imker? Das Interesse weist zumindest zaghaft in diese Richtung, am 12. Jänner beginnt wieder ein neuer Anfängerkurs. Außertourlich.

100 bis 110 gemeldete Imker gibt es in Wien. Die Zahl der mittleren und größeren Imkereibetriebe nimmt ab, die der Hobbyimker steigt an.

Berufszertifikate: „IM“ vor dem Namen steht für Imkermeister. „WL“ vor dem Namen weist auf die Ausbildung als Wanderlehrer hin. Für beides sind eigene Kurse erforderlich.

Landesverband für Bienenzucht(Donaupark): www.imker-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2011)

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