Wien-Tourismus: Ein Ende der Rekorde?

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Experten sehen in Wien bei den Flugverbindungen und im öffentlichen Verkehr Nachholbedarf. Damit der Touristenstrom 2012 nicht versiegt, "feuern wir aus allen Rohren", so Tourismusdirektor Kettner.

Wien. 2012 steht im Zeichen Gustav Klimts. Zehn Museen zeigen Sonderausstellungen, die Klimt-Villa wird ab dem Sommer wieder öffentlich zugänglich sein, auch der Werbeaufwand mit Klimt als Aushängeschild Wiens wird anlässlich seines 150. Geburtstages enorm sein.

Für neuerliche Rekorde im Tourismus werde das aber nicht sorgen, glaubt Tourismusdirektor Norbert Kettner. „Wir erwarten für 2011 einen Umsatz- und Nächtigungsrekord (von Jänner bis Ende November wurde mit 10,4 Mio. Nächtigungen ein Plus von 4,7Prozent gezählt, Anm.), für 2012 aber eher eine Stagnation.“ Im ersten Halbjahr werde es eher eine Delle geben, im zweiten komme Entspannung, sagt Kettner und beruft sich dabei auf die Zahlen der Wirtschaftsforscher. Auch wenn Prognosen immer schwieriger werden. „Heuer haben wir aus Spanien oder Japan mehr Gäste verbucht, trotz der hohen Arbeitslosigkeit dort bzw. der Fukushima-Katastrophe.“

Positiv stimmen ihn aber die vielen Kongresse, die 2012 in Wien geplant sind. Außerdem wird in diesem Jahr der 20. Life Ball gefeiert, im Herbst wird die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums eröffnet. Auch die Konzerthalle der Sängerknaben soll im Herbst in Betrieb gehen.

Damit der Touristenstrom 2012 nicht versiegt, „feuern wir aus allen Rohren“, so Kettner. In London etwa ließen die Tourismuswerber im Herbst Artisten auf einer 21Meter hohen Wand vertikal Walzer tanzen. In der Woche darauf wurden in London um 320Prozent mehr Reisen Richtung Wien gebucht.

Platz fünf im europäischen Vergleich

Aber kann sich Wien im kommenden Jahr im Vergleich mit anderen Städten Europas behaupten? Gemeinsam mit Berlin liegt Wien auf Platz fünf im Ranking der im Tourismus am besten aufgestellten Städte Europas. Das ergab kürzlich die Studie „European Capital City Tourism“ der Unternehmensberatung Roland Berger, für die 24 touristisch relevante Städte in Europa unter die Lupe genommen wurden. An der Spitze steht Paris, gefolgt von Amsterdam, Rom und Stockholm.

Die Zahl der Nächtigungen hat sich in Wien überdurchschnittlich gut entwickelt. Zwischen 2005 und 2010 (jüngere Daten liegen noch nicht vor) ist die Zahl der Nächtigungen um 4,3 Prozent gewachsen. Der Schnitt der 24 Städte liegt bei 2,4 Prozent. Nur Berlin, Stockholm, Ljubljana, Helsinki und Madrid konnten sich über noch stärkere Zuwächse freuen.

Bei der absoluten Zahl der Übernachtungen lag Wien 2010 mit 11,7 Millionen auf Platz sieben in diesem Vergleich. An erster Stelle rangiert unangefochten die Megametropole London.

Vergleicht man aber die Zahl der Einwohner mit jener der Nächtigungen, erreicht Wien mit sieben Gästenächtigungen pro Einwohner nur Platz zehn. Spitzenreiter ist in dieser Kategorie Amsterdam mit 13Nächtigungen. „Wien ist knapp besser als der Durchschnitt. Aber, wenn es zu viele Touristen pro Einwohner gibt, führt das zu einer Flucht der Einwohner aus den Städten. Das lässt sich zum Beispiel in Amsterdam oder Prag beobachten“, sagt Vladimir Preveden, der Autor der Studie.

Auch bei der Aufenthaltsdauer pro Besucher liegt Wien mit 2,2 Nächten überdurchschnittlich gut, aber doch nicht im Spitzenfeld.

Einen Spitzenplatz erreicht Wien aber als Kongressdestination. Die Position konnte in den vergangenen Jahren abermals ausgebaut werden.

Billige Zimmer als Problem

Die Anzahl der verfügbaren Betten ist in den Jahren zwischen 2005 und 2010 um 3,4 Prozent gewachsen – Wien liegt damit genau im europäischen Durchschnitt. Die Entwicklung der Bettenkapazität ist ein Indikator für das Vertrauen der Hoteliers und Investoren in den Markt.

Mehr Betten bedeuten aber nicht automatisch bessere Preise. Die Zimmerpreise gelten für die Konkurrenzfähigkeit des heimischen Tourismus als klares Defizit. Was die Gäste freut, ist für die Hoteliers mitunter ein ernsthaftes Problem. Der Umsatz pro verfügbarem Standard-Doppelzimmer pro Nacht liegt in Wien bei 91Euro und damit klar unter dem europäischen Schnitt. Zum Vergleich: In Paris liegt diese Zahl, anhand derer die Ertragskraft der Hotels verglichen wird, bei 171Euro.

„Wien hat hier ein Strukturdefizit. Es herrscht Aufholbedarf“, sagt Preveden. Damit die Gästezahl in Wien mit der steigenden Bettenkapazität wächst und Wien eine der ersten Adressen im europäischen Fremdenverkehr bleibt, empfiehlt er einen Ausbau der internationalen (Flug-)Verbindungen und des öffentlichen Verkehrsnetzes. Außerdem müssen in Wien Gegenden und Bezirke beworben werden, die neben den Klassikern von Schönbrunn bis Riesenrad die Stadt prägen und künftig repräsentieren.

Auf einen Blick

Vorsichtiger Optimismus. Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner rechnet nach einem Rekordjahr 2011 bei Nächtigungen mit einer Stagnation für 2012. Im ersten Halbjahr werde es eher eine Delle geben, im zweiten komme Entspannung.

Positiv stimmen ihn aber die vielen Kongresse, die 2012 in Wien geplant sind. Beispielsweise wird in diesem Jahr der 20.Life Ball gefeiert. Wien liegt im Ranking der im Tourismus am besten aufgestellten Städte Europas gemeinsam mit Berlin auf Platz fünf. An der Spitze steht Paris, gefolgt von Amsterdam, Rom und Stockholm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2012)

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