„Tierquartier“: Wie Wien den Tierschutz neu erfinden will

(c) APA (Kay Nietfeld)
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Ausgerechnet bei der Tierliebe hört sich die Wiener Liebe zwischen Rot und Grün auf? Ulli Sima will den Tierschutz neu regeln – weitgehend ohne Tierschutzverein. Madeleine Petrovic fühlt sich hintergangen.

Wien. Im Büro der Umweltstadträtin Ulli Sima ist die Affäre keine: „Die Stadt kann die Tierversorgung organisieren, mit wem sie möchte“, sagt Sprecherin Anita Voraberger. Auslöser der Aussage: Wien will die Tierversorgung mit dem Bau eines Tierschutzzentrums, dem „Tierquartier“ in der Donaustadt, auf neue, eigenständige Beine stellen. Damit drängt sie den Einfluss des Wiener Tierschutzvereins zurück, der das neue Projekt alles andere als positiv aufnimmt.

Vor allem deswegen, weil der Verein samt Geschäftsführerin Madeleine Petrovic gerne stärker in die Planung sowie in die Tierschutzpolitik eingebunden wäre. Doch die Stadt kooperiert vor allem mit der Wiener Tierschutzstiftung, die beim Neubau auch kräftig mitzahlt. Interessant: In dieser Stiftung sitzt nicht nur der umtriebige SP-nahe Wirtschaftsexperte Günther Havranek, sondern auch der Boulevard – in Form von Maggie Entenfellner, Leiterin der „Krone“-Tierecke. Und: Mit dieser Stiftung hat sich der Wiener Tierschutzverein, der das Tierschutzhaus in Vösendorf betreibt, heftige Gefechte geliefert.

Für das Frühjahr 2013 ist der Spatenstich auf dem Grund südlich der Deponie Rautenweg geplant. Derzeit läuft die Einreichplanung für das zehn Hektar große Grundstück. 2015 soll das „Tierquartier“ seine Türen nicht nur für herrenlose Tiere, sondern auch für Besucher öffnen. „Es wird eines der modernsten Tierschutzzentren Europas“, so Sima, die das Projekt seit Langem vorbereitet.

Das 9600 Quadratmeter große Haus wurde für 150 Hunde, 300 Katzen und Kleintiere konzipiert. Kosten: 15 Millionen Euro. Zwei Drittel kommen von der Stadt, ein Drittel von der Tierschutzstiftung. Für den Betrieb teilen sich beide die Kosten. Teile der Baukosten sollen über Spenden finanziert werden. Interessierte können „Bausteine“ ab zehn Euro erwerben, sie werden auf einer Wand verewigt.
Gleichzeitig können Patenschaften für Tiere übernommen werden. Unerwünscht im „Tierquartier“ sind – anders als beim Wiener Tierschutzverein – exotische Tiere wie Affen, Tiger und Schlangen. Deren Aufnahme sei unfinanzierbar, hieß es. Deshalb soll für Exoten eine Lösung mit anderen Häusern gefunden werden.

Britisches Konzept, Wiener Ärger

Ein möglicher Anknüpfungspunkt zum Wiener Tierschutzverein – in dessen Tierheim wohnen schon jetzt zwei Schimpansen und zwei Waschbären. Sie sind zum Kauf im Internet angeboten worden. Konzipiert hat das „Tierquartier“ ein britisches Unternehmen, das auf den Bau von Tierheimen spezialisiert ist. Ulli Sima: „Wir haben in England gesehen, dass Tierschutzhäuser dort Attraktionspunkte sind.“ Ähnliches will die Tierschutzstadträtin für Wien. Deshalb wird das „Tierquartier“ mit einem Hundeschulungsplatz, Mehrzweckraum und Spielplatz ausgerüstet. Der Hintergedanke: Wiener sollen im Ausflugsziel „Tierquartier“ Kontakt zu den Tieren bekommen – und den treu blickenden Augen eines Vierbeiners erliegen, damit dieser nicht ewig dort bleiben muss.

Zurück zum Konflikt zwischen Stadt und Tierschutzverein. Wenn sich die Versorgung herrenloser Tiere verbessern soll – woran stört sich ein Verein, der sich auf die Fahnen schreibt, mit der „Stimme der Tiere“ zu sprechen? Madeleine Petrovic, Präsidentin des Vereins, will das „Tierquartier“-Konzept nicht einmal kommentieren. Sie beschwert sich vor allem über das Grundstück, das Wien anbietet: „Während die Stadt auf einem gut erreichbaren Grundstück baut, kriegen wir ein dreieckiges und kaum öffentlich erreichbares.“

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