Ziesel in Wien nicht willkommen: Nager sollen Millionen-Wohnbau weichen

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Symbolbild(c) AP (ROBIN LOZNAK)
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Die streng geschützten Ziesel hinter dem Heeresspital in Wien Stammersdorf sollen umgesiedelt werden. Derzeit werden die Tiere gefangen und markiert. Bürgerinitiativel plant eine Beschwerde vor der EU-Kommission.

Wien. Die winterliche Ruhe um die hunderten Ziesel hinter dem Heeresspital in Floridsdorf ist vorbei. Seit Tagen stehen dort Fallen, um sie einzufangen. Ein Bauer hat das Feld, auf und unter dem die Nager leben, im Auftrag der Bauträger bestellt. Die Ziesel sind dort nicht erwünscht, schließlich planen die Stadt und zwei Bauträger in Stammersdorf in wenigen Jahren 800 bis 950 Wohnungen zu bauen. Das Millionenprojekt wurde aber ohne die geschätzten 700 Ziesel geplant.

Sie rangieren auf Platz eins der Liste bedrohter Tiere in Österreich. Laut Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU dürfen Ziesel weder gefangen noch in irgendeiner anderen Form gestört werden. Jüngst wurde das Feld teils gepflügt, die Bürgerinitiative IGL- Marchfeldkanal wertet das als Absiedelungsmaßnahme. „Man versucht, den Lebensraum sukzessive zu verschlechtern, damit sie sich in eine andere Richtung ausbreiten“, sagt Aktivist Helmut Bauer.

Bei den Eigentümern der Fläche, Kabelwerk Bauträger und Donau City Wohnbau, sieht man das anders. „Das Feld wird seit Jahren landwirtschaftlich genutzt“, sagt Peter Fleissner, der Geschäftsführer des Bauträgers Kabelwerk. Für die Ziesel wurden Streifen frei gelassen, ein Gutachten bestätigt, dass eine Bewirtschaftung des Feldes zu bestimmten Zeiten die Ziesel nicht stört. Fleissner kündigt an, dass die Bauträger Ausgleichsflächen für die Tiere schaffen.

Zum Abwandern bewegen könne man die Tiere, indem man ihnen einen noch attraktiveren Lebensraum anbietet als den, den sie derzeit bewohnen. Am liebsten leben Ziesel in Blumenwiesen mit Bäumen und Büschen, erklärt Ilse Hoffmann, Zieselexpertin der Uni Wien. Sie ist es auch, die die Ziesel derzeit im Auftrag der Bauträger einfängt, mit einem Punkt markiert und mit Mikrochip ausstattet.

Damit soll erhoben werden, wie viele Ziesel auf dieser Fläche leben und wie sie sich bewegen. Passende Ausgleichflächen, auf die man die Ziesel locken könnte, stünden derzeit aber noch nicht zur Verfügung, sagt Hoffmann.

Fleissner spricht von Zonen auf der anderen Seite des Marchfeldkanals. Allerdings müsste man die Ziesel, um die FFH einzuhalten, dazu bringen, ihre Bauten freiwillig zu verlassen, über eine Brücke zu spazieren und sich auf der anderen Seite des Kanals niederzulassen. Selbst, wenn das funktioniert, ist eine Absiedelung aufwendig, bei ähnlichen Projekten hat ein freiwilliger Umzug Jahre gedauert.

Stadt entscheidet im Sommer

Die Umweltschutzabteilung der Stadt (MA22) prüft derzeit, ob ein Absiedeln möglich ist, das naturschutzrechtliche Verfahren soll Ende Juni abgeschlossen sein, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Kommt grünes Licht, startet der Bauträgerwettbewerb. Sagt die MA22 nein, werde hinter dem Heeresspital nicht gebaut.

Fleissner spricht von einem frühesten Baubeginn Ende 2013. Dauert eine Absiedelung länger, werde es eben Jahre länger dauern. Die Befürchtung, die Ziesel könnten das Millionenprojekt stoppen, hat er nicht. „Dann wäre dies das letzte Bauprojekt auf grüner Wiese in Wien, wenn es genügt, ein Ziesel auszusetzen“, sagt Fleissner. Er sieht aber auch die Verantwortung der Bauträger, die Tiere in geeignete Schutzzonen zu übersiedeln.

Die Anrainer geben sich mit dieser Variante nicht zufrieden und planen nun sogar eine Beschwerde vor der EU-Kommission. Von heimischen Naturschützern, MA22 oder Umweltanwaltschaft, fühlen sie sich im Stich gelassen.

Auf einen Blick

Rund 900 Wohnungen sollen in den nächsten Jahren hinter dem Heeresspital entstehen. Wären da nicht die Ziesel – denn wo sie leben, darf nicht gebaut werden. Der Bauträger will die Ziesel umsiedeln lassen, dagegen wehrt sich eine Bürgerinitiative. Jüngst wurden die Ziesel zu wissenschaftlichen Zwecken gefangen und markiert, ein Traktor hat das Feld teils gepflügt. Die Aktivisten werten das als Versuch, die Nager zu vertreiben und planen eine Beschwerde vor der EU-Kommission.

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