Ägypten: Mindestens 30 Tote am "Freitag des Zorns"

Ägypten: Mindestens 30 Tote am
Ägypten: Mindestens 30 Tote am "Freitag des Zorns"Reuters
  • Drucken

Anhänger und Gegner des abgesetzten Präsidenten Mursi lieferten sich in mehreren Städten Straßenschlachten.

Zwei Tage nach der Absetzung von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär ist in Ägypten die Gewalt explodiert. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis wurden am Freitag mindestens 30 Menschen getötet und mehr als tausend verletzt. Allein in der nördlichen Stadt Alexandria kamen mindestens zwölf Menschen bei Straßenschlachten ums Leben. Auch in der Hauptstadt Kairo war die Lage am Tahrir-Platz am Abend hochexplosiv. Das Staatsfernsehen berichtete dort von zwei getöteten Demonstranten und 70 Verletzten.

Die Anhänger Mursis hatten für einen "Freitag des Zorns" Zehntausende Anhänger mobilisiert. Ihnen stellten sich ebenso viele Gegner entgegen. Beide Lager konnten von Sicherheitskräften nur schlecht auseinandergehalten werden. Bis in die Nacht dauerten die Auseinandersetzungen an, bei denen junge Anhänger beider Seiten mit Steinen, Messern, Brandsätzen und Knüppeln aufeinander losgingen. Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen hatten Mühe die aufgeheizte Menge zu beruhigen und benötigten dafür Stunden. Beiderseits des Nils harrten die verfeindete Gruppen auch am Samstag aus.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die ägyptischen Sicherheitskräfte zum Schutz der Demonstranten auf. Polizei und Militär müssten alle gewaltsamen Zusammenstöße vermeiden, erklärte Ban am Samstag in New York. Zugleich rief er das ägyptische Volk auf, "sein Recht auf Demonstrationen ausschließlich friedlich auszuüben". Die Gewalt kochte auch anderenorts auf, am Samstag erschoss ein Attentäter auf der Sinai-Halbinsel einen Priester der koptischen Christen, dessen Glaubensgemeinschaft die Absetzung des Islamisten Mursi durch das Militär begrüßt hatte.

Ägypten: Mindestens 30 Tote am
Ägypten: Mindestens 30 Tote am "Freitag des Zorns"Reuters

Proteste sollen weitergehen

Die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, der politische Arms der Mursi-nahen Muslimbrüder, rief auch für Samstag zu Protesten auf. Die Partei werde "auf den Plätzen an der Seite der Massen" bleiben, bis der festgesetzte Mursi wieder in seinem Amt sei. Zugleich rief die Partei ihre Anhänger auf, keine Gewalt anzuwenden.

Bewaffnete Bereitschaftspolizisten bezogen am Samstag Stellung an mehreren Straßenkreuzungen und Brücken in Kairo. Besonders ausgeprägt war die Spannung rings um die Universität Kairo, wo die islamistischen Muslimbrüder Barrikaden errichteten und den Sicherheitskräften Porträts Mursis entgegenreckten.

Mursi war am Mittwoch nach gut einem Jahr im Amt gestürzt worden. Seine Gegner wehren sich gegen angebliche Pläne zur Islamisierung des Landes und machen ihn für die Wirtschaftsmisere verantwortlich. Übergangspräsident Adli Mansour löste unterdessen per Dekret das Oberhaus des Parlaments auf. In der Kammer stellten islamische Parteien die Mehrheit.

Prozess gegen Murbarak fortgesetzt

Inmitten der Turbulenzen ist am Samstag auch der Prozess gegen Ägyptens früheren Staatschef Hosni Mubarak fortgesetzt worden. Vor Beginn der mittlerweile vierten Anhörung vor dem Strafgerichtshof in Kairo plädierte die Verteidigung erneut auf Freispruch für ihren Mandanten. Mubarak verfolgte das Geschehen mit Sonnenbrille und in weißer Häftlingsbekleidung aus seiner Gitterzelle im Gerichtssaal, wo er zusammen mit den anderen Beschuldigten saß. Die Anhörung wurde im Staatsfernsehen übertragen.

Der 85-jährige Ex-Präsident ist wegen Korruption und Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung jener Proteste angeklagt, die trotz der Gewalt fortgesetzt wurden und letztlich zu seinem Sturz im Februar 2011 führten. Vor einem Jahr war er zunächst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Diesen Jänner gab die Justiz aber Mubaraks Berufung statt und kassierte das Urteil wegen Formfehlern. Anschließend wurde ein neuer Prozess angesetzt.

Neben Mubarak sind auch der frühere Innenminister Habib al-Adli sowie mehrere weitere Ex-Mitglieder des Sicherheitsapparats wegen Beihilfe zum Mord während der Proteste zwischen dem 25. und dem 31. Jänner 2011 angeklagt. Damals kamen Hunderte Menschen ums Leben.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.