Enttäuschung über Chinas nachgiebige Haltung gegenüber Nordkorea. Es hat sich bisher lediglich „besorgt“ über die Ereignisse gezeigt. Südkoreas Verteidigungsminister Kim Tae-young ist bereits zurückgetreten.
Yeonpyeong/Reuters. Der Angriff Nordkoreas auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong vom Dienstag forderte nun auch ein politisches Opfer: Südkoreas Verteidigungsminister Kim Tae-young bot am Mittwoch seinen Rücktritt an, der von Staatspräsident Lee Myung-bak auch prompt angenommen wurde. Der Rücktritt diene dazu, „die Atmosphäre im Militär zu verbessern“, wurde aus der Präsidentschaftskanzlei verlautet.
Dem Minister war vorgeworfen worden, zu langsam und zu schwach auf den nordkoreanischen Angriff reagiert zu haben, bei dem am Dienstag zwei südkoreanische Soldaten und zwei Zivilisten getötet worden waren. Dutzende Häuser brannten nieder, hunderte Menschen haben die Insel fluchtartig verlassen. Südkorea schoss 13 Minuten später zurück, über die Schäden auf nordkoreanischer Seite ist nichts bekannt.
Kim Tae-young hatte bereits beim vorletzten großen Zwischenfall mit dem kommunistischen Norden seinen Rücktritt angeboten. Das war im heurigen Frühjahr, als – wie eine internationale Untersuchung bestätigte – ein Schiff der südkoreanischen Marine von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt wurde. Damals starben 46 Matrosen. Auch damals war der Regierung vorgeworfen worden, nicht hart genug reagiert zu haben.
„Kriegstreiber in Südkorea“
Pjöngjang setzte die Serie seiner Drohungen am Donnerstag ungeachtet internationaler Proteste fort und kündigte weitere Angriffe an: Man werde ohne zu zögern „eine zweite und dritte Runde von Angriffen“ lancieren, wenn die „Kriegstreiber in Südkorea ihre ruchlosen militärischen Provokationen wiederholten“, zitierte die Regime-eigene Nachrichtenagentur KCNA aus einem Statement des Militärs. Pjöngjang wirft den südkoreanischen Streitkräften nämlich vor, am Dienstag zuerst geschossen zu haben.
Die Hoffnungen Südkoreas, China würde seinen unbestreitbaren Einfluss auf Nordkorea geltend machen oder den Angriff öffentlich verurteilen, hat sich bisher nicht erfüllt. Daran hat auch der steigende Druck der USA auf Peking vorerst nichts geändert. „Wir müssen China stärker in die Pflicht nehmen, damit es mehr Verantwortung übernimmt“, sagte ein Regierungsvertreter in Seoul.
China besorgt über US-Manöver
China hat sich bisher lediglich „besorgt“ über die Ereignisse gezeigt und gefordert, man müsse zu den sogenannten „Sechsergesprächen“ zurückkehren. Die Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm – beteiligt waren neben den beiden Koreas Japan, China, Russland und die USA – waren vor zwei Jahren erfolglos abgebrochen worden. Erst vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass Nordkorea ein neues, topmodernes Programm zur Uran-Anreicherung aufgebaut hat. China ist zwar nicht daran interessiert, dass das unberechenbare Regime in Pjöngjang mehr und mehr Atomwaffen baut (derzeit dürften es etwa zwölf Sprengköpfe sein). Ebenso wenig Interesse hat es aber an einem Zusammenbruch dieses Regimes und einer Wiedervereinigung der beiden Koreas, denn dadurch würde der chinesische Einfluss signifikant schwinden.
„Besorgt“ zeigte sich Peking am Donnerstag auch über das gemeinsame Manöver südkoreanischer und US-amerikanischer Streitkräfte am kommenden Wochenende, zu dem die USA nun auch ihren nuklear angetriebenen Flugzeugträger „George Washington“ entsandt haben. Beobachter weisen jedoch darauf hin, dass Peking in früheren Fällen solche Manöver stärker kritisiert hatte.
Interessant wird sein, wie sich Peking im UN-Sicherheitsrat verhalten wird: Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am Donnerstag, er hoffe auf eine Äußerung des höchsten UN-Gremiums in den nächsten Tagen, um die Situation zu beruhigen.
Palin: „Auf Nordkoreas Seite“
Geäußert hat sich dafür schon Sarah Palin, die Ambitionen auf die republikanische Kandidatur bei der US-Präsidentschaftswahl 2012 hat. In einer Talkshow am Mittwoch sagte sie, die USA müssten „auf der Seite unserer nordkoreanischen Verbündeten stehen“, und korrigierte sich erst, als sie vom Interviewer auf ihren Lapsus aufmerksam gemacht wurde. Das ist freilich Wasser auf die Mühlen ihrer Kritiker, die ihr außenpolitische Inkompetenz vorwerfen.
Auf einen Blick
Bei einem Artillerieangriff Nordkoreas auf Südkorea wurden am Dienstag vier Menschen getötet. Die USA riefen die „internationale Gemeinschaft“ dazu auf, Druck auf Nordkorea auszuüben. Bisher haben jedoch Strafmaßnahmen das Regime Kim Jong-ils nicht davon abgehalten, gewaltsame Zwischenfälle zu provozieren und sein Nuklearprogramm fortzusetzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)