Kinder gerettet: Deutscher ist Held von Utöya

Dutzende Jugendliche gerettet Deutscher
Dutzende Jugendliche gerettet Deutscher(c) EPA (BRITTA PEDERSEN)
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"Sie schrien " Help! Help!": Marcel Gleffes riskierte sein Leben, um zahlreiche Jugendliche vor dem Attentäter in Sicherheit zu bringen.

Die Tragödie Utöya kennt auch Heldengeschichten, wie die des Deutschen Marcel Gleffes. Zahlreiche Jugendliche verdanken ihm sein Leben.

Der 32-Jährige arbeitet seit zweieinhalb Jahren als Dachdecker in Norwegen. Momentan verbringt er zusammen mit seinen Eltern seinen Urlaub auf dem Campingplatz in Utvika, an dem Ufer gegenüber der Insel, die zum Schauplatz des Attentats wurde, berichtete "Spiegel Online" am Montag.

Am späten Freitagnachmittag erzählte ihnen ein Nachbar auf dem Platz von dem Anschlag in Oslo, so Gleffes. Kurz darauf hörten sie es plötzlich zweimal dumpf knallen. "Dann eine ganze Salve", wird Gleffes Mutter, Heidrun, zitiert. Dunkler Rauch stieg auf. "Ich sagte zu meinem Mann: 'Komm, wir gehen runter zur Mole, wir müssen schauen, was passiert ist.'" Zuerst glaubten die Gleffes an ein Feuerwerk.

"Help! Help!, Shooting!"

Bei der Mole angekommen - die Insel Utöya liegt etwa 600 Meter entfernt – sahen sie wie ein Mann ein Mädchen aus dem Wasser zog. 16 oder 17 Jahre alt sei es gewesen, nur mit Unterwäsche bekleidet. Ein weiters Mädchen schwamm einige Meter hinter ihr. "Sie schrie 'Help! Help!', sie schrie 'Shooting!' und dass wir die Polizei rufen sollten", erzählte Heidrun Gleffe. "Wir haben lauter Köpfe im Wasser gesehen."

Es handelte sich um die Jugendlichen, die von der Insel ins Wasser gesprungen waren, um den Schüssen von Anders Behring Breivik zu entkommen.

"Sah den Attentäter durch das Fernrohr"

"In so einer Situation denkt man gar nicht nach", erzählte ihr Sohn Marcel. Während seine Mutter die unter Schock stehenden Mädchen in Decken wickelte und ins Wohnmobil brachte, rannte er los zum Ufer. Dort stieg er in den kleinen roten Kahn, den er gemietet hatte, und fuhr los. "Ich habe gleich geahnt, dass das in einer Verbindung zu dem Anschlag in Oslo steht", sagte er.

Durch das Fernrohr sah er immer mehr Menschen von den Klippen auf der Insel ins Wasser springen. Auch den Attentäter erkannte er: Breivik soll auf einem Felsen gehockt sein, die Waffe erhoben. Er soll auch auf jene Jugendlichen geschossen haben, die bereits ins Wasser gesprungen waren.

Attentäter hatte Opfer an Boot gelockt

"Überall im Wasser schwammen Jugendliche. Ich warf ihnen Schwimmwesten zu und zog die, denen es am schlechtesten ging, ins Boot", wird Marcel Gleffe zitiert. "Alle schrien, aber sie halfen sich gegenseitig. Es war unglaublich zu sehen, was für starke Menschen das sind." Er schätzte, allein mehr als 20 Jugendliche ans rettende Ufer gebracht zu haben.

Doch die Hilfe war nicht immer einfach: "Kommt uns bloß nicht zu nahe", oder "Wollt ihr uns töten?", riefen die Jugendlichen den Urlaubern oft entgegen. Der Grund für das Verhalten war Breivik: "Der Attentäter war so perfide, dass er den Jugendlichen zugerufen hatte: 'Kommt her, ich rette euch'!", berichtete einer der norwegischen Retter, der ebenfalls mit seinem Boot auf den See hinausfuhr.

"Selbstverständlich, was wir gemacht haben"

In Summe konnten die Urlauber 150 Menschen retten. "Trotzdem machen sich manche noch wahnsinnige Vorwürfe", wird Psychiaterin Kirsti Oscarson zitiert. "Sie denken an die Menschen, die sie im Wasser lassen mussten, weil diese nicht mehr ins Boot passten - nicht an die anderen Menschen, die sie gerettet haben."
Auf dem Campingplatz bekommen die Retter nun psychologische Hilfe.

Ein Drittel von den Helfenden dürfte Schwierigkeiten haben, das Erlebte zu verarbeiten, schätzen die Psychiater. Auch Marcel Gleffes gab zu: "Gestern ging es noch, heute wird einem schlecht, da wird einem einfach nur schlecht." Aber er habe sich nicht anders verhalten können. "Es ist doch ganz selbstverständlich, was wir gemacht haben."

(Red.)

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