11. März 1938: ''Freie Volksabstimmung in Österreich''

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Die Original-Artikel der "Neuen Freien Presse" vom Freitag, 11. März 1938.

Heute liegt aus dem Auslande eine ganze Reihe von Blätterstimmen vor, die sich mit der für diesen Sonntag anberaumten Volksbefragung beschäftigen und zu diesem Ereignis Stellung nehmen. Alle bezeichnen den Entschluß des Bundeskanzlers, an die Bevölkerung zu appellieren, damit sie mit dem Stimmzettel in der Hand ihre Willensrichtung, ihr Denken und Wollen zum Ausdruck bringt, als eine hochbedeutsame Tatsache. Dr. v. Schuschnigg legt, darüber ließ seine eindrucksvolle Innsbrucker Rede keinen Zweifel, den größten Wert darauf, daß nun volle Klarheit geschaffen werde, wie die Bevölkerung das von ihm aufgestellte Programm und über den von der Regierung zurückgelegten Weg urteilt. Die nüchterne Sprache präziser Abstimmungsziffern soll den wünschenswerten Anschluß geben. Die Basis, auf der sich die Mitglieder der Vaterländischen Front und die anderen sich zum freien deutschen Österreich bekennenden bewegen, ist in der letzten Zeit beträchtlich erweitert worden, einmal durch die Heranziehung der Nationalsozialisten im Sinne des Juliabkommens und der Berchtesgadener Vereinbarungen und dann durch die Eingliederung der Arbeiterschaft als gleichberechtigten Faktor. Sie alle sollen am Sonntag die Möglichkeit erhalten, ihre Meinung unbehindert und nach bestem Wissen und Gewissen aufscheinen zu lassen.Man muß jedoch auch, wenn man ein objektives Bild erhalten will, jene Einwendungen registrieren, die von den nationalsozialistischen Kreisen und von der reichtsdeutschen Presse erhoben werden. So heißt es zum Beispiel in Berliner Zeitungen, daß die Frist, die zwischen der Verkündung der Volksbefragung und der Abstimmung liegt, zu kurz sei, um eine ausreichende Erforschung der vorhandenen Auffassungen zu gestatten, daß weiter jede Kontrolle fehle, und daß für die Propaganda kein Raum bestehe. Solchen Einwänden muß entgegengehalten werden: es wird für eine vollkommen freie, geheime Stimmabgabe für jedermann gesorgt und jeder wird nach eigenem Ermessen Stellung nehmen können. Soll es doch nicht nur Stimmzettel mit dem Aufdruck Ja, sondern auch mit dem Worte Nein geben. Nochmals wurde gestern von Amt des Frontführers ausdrücklich betont, daß ein klares, unbeeinflußtes Bekenntnis erwartet werde und daß niemand befürchten müsse, seine Ansicht nicht zum Ausdruck bringen zu können. Eine umfassende Propaganda ist aber wirklich nicht notwendig und die paar Tage genügen vollkommen, um mit sich ins reine zu kommen, sofern sie Einstellung nicht von vornherein feststeht. Handelt es sich ja um Probleme, die seit Jahr und Tag die Öffentlichkeit in Anspruch nehmen. Wer hätte noch nicht Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, was ein freies, deutsches, unabhängiges, soziales, christliches und einiges Österreich für jeden einzelnen, der hierzulande wohnt, für die Kultur, für die deutsche Volksgesamtheit bedeutet? Desgleichen ist wohl noch keine langwierige Bearbeitung der Waffen erforderlich, um die Parole „Friede, Arbeit und Gleichberechtigung" in ihrer Wesenheit zu erklären. Die kurze Zeit, die zwischen der Innsbrucker Rede Dr. v. Schuschniggs und der Durchführung der Volksbefragung liegt, bildet also eher einen Vorteil, denn sie schließt künstliche Einflußnahmen und Ablenkungen durch einen komplizierten Agitationsapparat aus.

Das sind Überlegungen, die gewiß nicht abgelehnt werden können, wenn man die Dinge so nimmt, wie sie tatsächlich bestehen. Es ist also nicht bloß die freie Volksabstimmung verbürgt, sondern es liegt auch kein Anlaß vor, zu vermuten, daß Schwierigkeiten obwalten können, die Überzeugung aufrecht und ungehindert zu manifestieren. Am Sonntag den 13. wird sich demnach vor aller Welt zeigen, wie Österreich denkt, welche Wünsche die Bevölkerung in bezug auf die politische Grundrichtung hegt. Bundeskanzler Dr. v. Schuschnigg hat die Abstimmungsparole scharf formuliert und so gestaltet, daß die jeder leicht zu verstehen vermag. Sein Aufruf schießt mit der ernsten Mahnung, zu beweisen, daß der Wille vorherrscht, eine neue Zeit der Eintracht im Interesse der Heimat zu beginnen und den Lebenswillen unseres Staates zu verdeutlichen.


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