"Die USA sind ihr eigener schlimmster Feind"

sind selbst schlimmster Feind
sind selbst schlimmster Feind(c) Thomas Seiferrt
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US-Politstratege Feltman im Interview: Warum Amerika gespalten ist, Bush ihn enttäuscht hat und er einen Volksaufstand in Russland für möglich hält.

Er zählt zu den erfahrensten Politstrategen der Republikaner in Washington: Kenneth Feltman arbeitete mit allen republikanischen Präsidenten seit Ronald Reagan zusammen, zuletzt beriet er Nicolas Sarkozy in Frankreich. Im  Interview mit DiePresse.com verrät der Ex-Präsident der „American League of Lobbyists“ und der Vereinigung der internationalen Politberater wie er die Zusammenarbeit mit „Sarkozy“ empfunden hat, warum er noch immer auf Mitt Romney setzt und ihn ein Volksaufstand in Russland nicht überraschen würde.

DiePresse.com: Sie haben 1988 einen „conflict index“ entwickelt, den Studenten 2010 nutzten, um den Fall des Mubarak-Regimes vorherzusagen. Das ist ziemlich beeindruckend, denn Ägypten hatte damals kaum ein Experte auf der Liste. Also verraten Sie uns doch, welches Land als nächstes dran ist.

Kenneth Feltman: Syrien, ohne Zweifel. Aber auch der Iran ist immer bereit für Veränderung. Die Iraner sind aber sehr aufgeweckt und weitsichtig. Sie wissen nicht, ob ein Aufstand die Sache besser oder schlechter machen würde, deshalb sind Aktionen wie in anderen muslimischen Ländern derzeit nicht sehr wahrscheinlich. Es gibt auch eine wachsende Unzufriedenheit in Russland, die deutlich weiter verbreitet ist, als wir im Westen das realisieren. Das ist vermutlich auch der Grund, warum Putins Regierung so hart durchgreift. Sie bemerkt langsam, dass sie ein größeres Problem hat als jemals zuvor unter Putin.

Sie rechnen mit einem Volksaufstand in Russland?

Nein, das sage ich nicht. Aber es ist wahrscheinlich, dass wir in Russland mehr und mehr Konflikte sehen werden, die zu einem Volksaufstand führen könnten. Wenn Putin nicht auf seine engsten Vertrauten aufpasst, könnten sie sich gegen ihn verbünden, um ihre eigenen Jobs zu retten.

Sie haben auch den Iran erwähnt. Glauben Sie, dass ein möglicher US-Präsident Mitt Romney gegen den Iran in den Krieg ziehen würde?

Nein, es hat keine Vorteile für die USA gegen irgendein Land der Welt in den Krieg zu ziehen, solange wir nicht angegriffen werden.

Der Irak-Krieg hatte wohl auch keine Vorteile für die USA - und trotzdem hat ihn George W. Bush geführt. Sie haben damals für Bush gearbeitet. Enttäuscht?

Ja, ich war enttäuscht von ihm. Der Irak-Krieg hatte tatsächlich keine Vorteile. Und ich denke Romney sieht das genauso. Regime Change klingt ja immer gut. In einer Gesellschaft mit moderner Kommunikation kann Veränderung aber nur von innen kommen, niemals von außen.

Ist der Iran überhaupt die größte Gefahr für US-Interessen in der Region? Pakistan zum Beispiel hat schon die Atombombe, und eine große Mehrheit dort ist den USA gegenüber feindlich eingestellt.

Die größte Gefahr für die Vereinigten Staaten sind die Vereinigten Staaten. Wir sind unser eigener schlimmster Feind, weil wir uns selber immer in Schwierigkeiten bringen und dann Bomben abwerfen oder unsere Bodentruppen schicken.

Kommen wir zum US-Wahlkampf: Die US-Wirtschaft erholt sich kaum, die Gesundheitsreform ist nicht gerade beliebt, die Jugend von Obama enttäuscht. Viel besser könnten die Bedingungen für die Republikaner im Wahlkampf doch gar nicht sein …...

...… ja, da stimme ich zu …...

…... und trotzdem kommt Romney nicht vom Fleck. Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube der Grund ist Romneys Kampagne und seine Persönlichkeit. Die Menschen sind unzufrieden mit seinen Auftritten. Es ist nicht so, dass sie ihn nicht mögen. Sie werden aber nicht richtig "„warm"“ mit ihm und glauben auch nicht, dass er sich in seinem Verständnis von Wirtschaft und Regieren ausreichend von Obama unterscheidet, um wirklich etwas zu verändern.

Das klingt stark nach einer lose-lose-Situation: Romney ist zu moderat - und ein radikalerer Kandidat würde die entscheidenden "independents" in der Mitte verscheuchen.

Es ist eine sehr schwierige Situation. Obama verliert zwar an Unterstützung und wir haben auch herausgefunden, dass „independents“ wirkliche jeden anderen wählen würden, wenn sie das Gefühl haben, Obama ist dem Amt nicht gewachsen. Aber irgendwie haben sie das selbe Gefühl auch bei Romney. Und für gewöhnlich stimmt der Amerikaner in so einer Situation für den Amtsinhaber.

Sie würden also ihr Geld auf Obama setzen?

Nein, aus einem Grund nicht: Romney wird auf seine Berater hören und seine Auftritte in TV-Debatten üben. Die sind nämlich seine große Schwachstelle. Er konzentriert sich auf das Publikum vor Ort. Er muss es aber ausblenden und zu den Massen vor den Fernsehern sprechen. Wenn er das schafft, wird er Obama uneinholbar davonziehen. Und Romney muss am Thema Wirtschaft dranbleiben. Solange es der Durchschnittsperson auf der Straße nicht viel besser geht, ist die Wirtschaft das allerwichtigste Thema. Viele fragen sich: "Warum spricht er über die Gesundheitsreform, ich will einen Job."

Stichwort Jobs: Romney soll früh in Unternehmen investiert haben, die Arbeitsplätze ins Ausland auslagerten. Womöglich schadet ihm sein wirtschaftlicher Background mehr als er ihm hilft.

Nein, denn wer dieses Argument gelten lässt, hätte Romney ohnehin nicht gewählt. Wenn ein Unternehmen einen Job billiger in Indien machen kann als bei euch in Österreich, dann wird er in Indien gemacht. Das ist eine einfache wirtschaftliche Wahrheit. Staaten müssen sich daher immer anpassen und die USA passen sich nicht schnell gut an. Wir müssten uns nämlich auf jene Ausbildungszweige konzentrieren, die es unseren Bürgern ermöglichen, die technisch schwierigeren Jobs zu erledigen.

Zuletzt wurde auch berichtet, dass Romney 1983 seinen Hund aufs Autodach geschnallt hat und dass er geheime Bankkonten in Steueroasen besitzen soll. Was schadet ihm mehr?

Sicher die Sache mit dem Hund. Die Obama-Leute treiben zwar diese Geschichte mit den Bankkonten voran, aber sie funktioniert bisher nicht. Diese Konten sind gar nicht geheim und in Romneys Branche ist es ganz normal, dass Firmen Konten in sogenannten Steueroasen eröffnen.

Für Romney sah es kurz nach "Game over" aus und zwar als der Oberste Gerichtshof Obamas Gesundheitsreform bestätigte. Andererseits: Mit der Gesundheitsreform ist das Feindbild der Republikaner noch am Leben. Kann Romney am Ende von dem Urteil sogar profitieren?

Ja ich denke das wird er. Zahlreiche unabhängige Gruppen, die die Entscheidung ablehnen, werden nun rausgehen und Romney unterstützen. Diese sogenannten SuperPacs werden einiges an Einfluss haben.

Das heißt also mehr Geld für Romneys Wahlkampf-Maschine. SuperPacs dürfen ja vereinfacht gesagt ohne Geldlimit für ein Thema werben, solange sie sich nicht mit einem Kandidaten kurzschließen.

Ja, sie werden auf Basis der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Werbungen für Romney oder gegen Obama schalten. Das Problem an der Gesundheitsreform ist nämlich: Heute kann jeder Amerikaner in Notfallkliniken gehen, diese Klinken könnten aber nach und nach von den Bundesstaaten eingeschränkt werden, die dann nämlich weitere Verpflichtungen durch die Reform haben. Und wenn ein Bundesstaat mit dem Abbau der Kliniken anfängt, dann wird sich das ganz schnell auf die ganze Nation ausbreiten.

Das Urban Institute schätzt, dass zwischen 2000 und 2006 rund 137.000 Menschen vorzeitig gestorben sind, weil sie keine Gesundheitsvorsorge hatten. Angesichts solcher Zahlen ist die Unpopularität der Gesundheitsreform doch vor allem ein Kommunikationsdesaster des Präsidenten.

Niemand musste bis jetzt ohne Behandlung bleiben, das Argument ist daher falsch. Aber es handelt sich tatsächlich auch um ein Kommunikationsdesaster. Obama war ein guter Kommunikator im Wahlkampf, aber er ist ein schrecklicher als Präsident. Er kommuniziert seine Regierungspolitik entweder technisch - oder er verfällt in die Wahlkampf-Sprache. Das ermüdet die Menschen.

Die Gesundheitsreform spaltet das Land, politisch auch das Patt zwischen Kongress und dem Weißen Haus, dann ist da noch die Tea Party. War Amerika eigentlich jemals so polarisiert seit Ende des Bürgerkriegs?

Ja, wir werden regelmäßig polarisiert - und zwar immer dann wenn der Unterschied zwischen den am besten und am schlechtesten Verdienenden besonders groß ist. Auch vor dem Bürgerkrieg waren wir aus wirtschaftlichen Gründen extrem polarisiert: Trotz Sklavenhaltung konnte der Süden nicht mehr mit dem durch die Industrialisierung besser ausgerüsteten Norden konkurrieren. Was wir heute sehen, ist in Teilen mit der Großen Depression in den Dreißigern vergleichbar: Wie damals haben wir auch heute sehr reiche Menschen wie Investoren und Top-Banker, während die Kaufkraft des Durchschnittsbürgers abnimmt. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich waren seit damals nicht mehr so extrem wie heute.

Haben Sie dafür eine Erklärung?

In den Dreißigern waren die Armen vor allem Bauern oder kleine Unternehmer, heute sind es vor allem Einwanderer. Zum ersten Mal kommen Einwanderer, vor allem Hispanics, die gar nicht planen zu bleiben und ihr Einkommen nach Hause überweisen, wo immer das auch ist. Rechnet man diese Einwanderer weg, sind die Unterschiede nicht so extrem wie in den Dreißigern.

Was kann ihr Land da unternehmen?

Der Präsident und der Kongress müssen eine Entscheidung treffen: Schauen wir auf die Einwanderer beispielsweise aus Asien, die sich sehr gut machen  - oder tun wir etwas Besonderes für die Hispanics? Und falls wir das tun, bauen die Hispanics dann hier ihren Wohlstand auf oder überweisen sie ihr Geld trotzdem weiter nach Hause? Viele Leute diskutieren derzeit in der Hispanics-Frage grundsätzlich, ob sie hier bleiben oder abgeschoben werden sollen. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist: Sie schicken das Vermögen, das sie sich hier arbeiten, außer Landes und leben teils von der Wohlfahrt. Wir müssten daher sagen: Entweder ihr belasst euer Geld hier oder ihr folgt ihm nach Hause. Das passiert aber nicht.

Wagen wir noch einen Rückblick: Sie haben mit allen republikanischen Präsidenten zusammengearbeitet, welcher US-Präsident wurde am stärksten unterschätzt?

Ronald Reagan. Die Leute dachten, der ist nur ein Schauspieler, der die Zeilen gut vorträgt, die andere für ihn geschrieben haben. Aber er hat schon in den Fünfzigern als Präsident der Schauspieler-Gewerkschaft ganz klare Ziele formuliert und die auch konsequent verfolgt. Und dann ist da noch Bill Clinton (Anm.: Demokrat), dessen außenpolitisches Wissen und dessen Instinkt im Umgang mit Menschen nie richtig erkannt wurden.

Sie waren auch für Sarkozy in den letzten beiden Wahlkämpfen tätig. War es schwer, mit ihm zusammenzuarbeiten?

Es war eine echte Freude. Er war auch ein viel besserer Kandidat, als die Medien das dargestellt haben. Aber ich denke, Sarkozy hat viele Franzosen verloren, weil er den zeremoniellen Aspekt seiner Arbeit nicht mochte. In der Sonne bei einer Militärveranstaltung stehen, eine Schule besuchen, ein Krankenhaus eröffnen. So etwas ist den Franzosen sehr wichtig, Sarkozy hat das dann zwar über sich ergehen lassen, sich dabei aber nie wohl gefühlt. Ich glaube, das haben ihm die Franzosen nie verziehen.

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