Superreiche verlassen Frankreich

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Vermögende Franzosen sollen für die Krise bezahlen, findet Frankreichs Präsident Hollande. Manche von ihnen flüchten lieber ins Ausland.

Paris. „Ich habe drei amerikanische Spitzenkader für unser Unternehmen in Frankreich rekrutiert. Sie sind weiterhin für uns tätig, aber sie haben ihren Wohnsitz in andere Länder verlegt“, erklärt ein namentlich nicht genannter Leiter eines Großunternehmens in der Tageszeitung „Le Figaro“. Das dürfte kein Einzelfall sein. Die Steuerpolitik der neuen Linksregierung um Präsident François Hollande wird solchen Medienberichten zufolge zum roten Tuch für Spitzenverdiener, die befürchten müssen, vom französischen Fiskus im Namen einer sozialen Steuergerechtigkeit geschröpft zu werden.

Es scheint, als dienten die „Superreichen“ den linken Machthabern als neues Feindbild der Nation. Zum sozialen Ausgleich sollen sie nun vermehrt zur Kasse gebeten werden. So will Hollande etwa den Spitzensteuersatz auf Einkommen von über einer Million Euro jährlich auf 75 Prozent anheben. Im Budget sind außerdem Zusatzeinnahmen von 2,7 Milliarden Euro bis Jahresende vorgesehen, die vor allem auf Kosten von Wohlhabenden gehen. Darunter sind eine Sonderabgabe zur Vermögensteuer, eine verschärfte Erbschafts- und Schenkungssteuer, aber auch zusätzliche Abgaben auf Dividenden und Boni.

Im Ausland herzlich willkommen

Die konservative Opposition warnt, mit ihrer an Enteignung grenzenden Belastung von Spitzeneinkommen und großen Vermögen vertreibe die neu an die Macht gelangte Linke zahlungskräftige und für die Wirtschaft unentbehrliche Steuerpflichtige. Und damit auch zahlreiche Stars aus Sport, Mode, Film und Musik. Nur wenige von ihnen sagen öffentlich, dass sie der Heimat den Rücken kehren wollen, weil sie sich wegen ihres Reichtums ungeliebt fühlen.

Wenn sie ein Exil für ihre Vermögen und Einkünfte suchen, haben sie die Wahl: Außer den Nachbarländern Belgien, Luxemburg und der Schweiz sowie London bieten sich trotz der von Frankreich mitlancierten Jagd der OECD auf Steueroasen auch weiterhin zahlreiche Offshore-Inseln an.

Im Ausland freut man sich schon auf die wohlhabenden Flüchtlinge. „Wenn Frankreich den Spitzensteuersatz von 75 Prozent einführt, werden wir den roten Teppich ausrollen und mehr französische Unternehmen willkommen heißen, die in Großbritannien Steuern zahlen“, scherzte kürzlich der konservative britische Premierminister David Cameron. Die Franzosen zeigten sich pikiert: „Ich weiß nicht, wie man einen roten Teppich über den Ärmelkanal ausrollt. Er könnte nass werden“, zitiert die DPA den französischen Arbeitsminister Michel Sapin.

Auch Fußballklubs klagen

Wie viele Reiche sich entschlossen haben, das Land zu verlassen, weiß keine Statistik. Niemand ist verpflichtet, den Grund für einen Umzug zu melden. In Genf und Brüssel prahlen aber spezialisierte Anwälte und Berater damit, sie bekämen in diesen Tagen haufenweise Anfragen von verängstigten und von der Linkspolitik angewiderten Franzosen.

Gute Hinweise liefert die Warteliste der Französischen Schule in London, auf der laut Angaben eines Diplomaten seit dem Präsidentenwechsel in Frankreich am 6.Mai 700 neue Namen stehen. Symptomatisch ist auch, dass die Zahl der zwischen April und Juni verkauften Luxusimmobilien laut Brancheninformationen sprunghaft angestiegen ist. Nicht nur französische Firmen, auch Fußballklubs klagen, sie seien wegen der Angst vor massiven Steuererhöhungen beim Anwerben von Topleuten ernsthaft eingeschränkt.

Die Entwicklung erinnert an das Jahr 1981: Nach dem Wahlsieg von Sozialisten und Kommunisten um François Mitterrand brachte ein Teil der vermögenden „Bourgeoisie“, entsetzt über das radikale Programm der Linken, ihr Geld kofferweise bei Schweizer Banken in Sicherheit.

Auf den Spuren Mitterrands

Mit François Hollande ist erstmals seit Mitterrand wieder ein Sozialist an der Macht. Hat er aus der Steuer- und Kapitalflucht zur Zeit seines Vorbilds Mitterrand gelernt? Zumindest hat er dies versichert. Aber unter dem Druck der hohen Staatsverschuldung und der Finanzkrise muss er zusätzliches Geld auftreiben, um den Haushalt zu sanieren. Die 75-Prozent-Sonderabgabe auf Millioneneinkommen kommt frühestens im Herbst. Ein bisschen Zeit haben Vermögende also noch, um ihr Exil zu planen.

Auf einen Blick

Die neue Linksregierung in Frankreich plant zahlreiche Steuererhöhungen für Vermögende. So soll der Spitzensteuersatz auf 75Prozent steigen. Eine Sonderabgabe zur Vermögensteuer und weitere zusätzliche Abgaben sollen noch bis Ende des Jahres 2,7Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Viele Wohlhabende überlegen daher, das Land schleunigst zu verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2012)

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