Interview: "Pussy Riot kann Putin bezwingen"

Pussy Riot kann Putin
Pussy Riot kann Putin(c) REUTERS (MAXIM SHEMETOV)
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Das Moskauer Künstlerinnenkollektiv Pussy Riot erklärt im Interview mit der "Presse am Sonntag", warum es gegen Präsident Putin protestiert und wie es trotz des Prozesses weitergeht.

Ironischerweise ist es ausgerechnet die Verfolgung durch die Justiz, die ihnen europaweiten Ruhm beschert hat: Pussy Riot ist ein Kollektiv von etwa zehn Aktivistinnen, das mit den Mitteln des Punk gegen das verknöcherte russische Regime aufbegehrt. Mittlerweile drucken Hochglanzmagazine Lobeshymnen auf die Gruppe, Amnesty International hat eine Unterstützungskampagne für die drei verhafteten Bandmitglieder gestartet. „Die Presse am Sonntag“ führte mit der Gruppe ein Interview, das auf Wunsch von Pussy Riot per E-Mail stattfand.

Zu Wochenbeginn startete der Prozess gegen drei Mitglieder von Pussy Riot. Stehen sie tatsächlich wegen Rowdytums vor Gericht oder wegen politischen Protestes?

Pussy Riot: Sie stehen vor Gericht, weil unsere Gruppe möchte, dass unser Land progressiv ist, anstatt konservativ zu sein.

Wenn der Prozess tatsächlich aus politischen Gründen geführt wird, warum hat man sie nicht schon früher verhaftet? Pussy Riot kritisiert Wladimir Putin ja schon lange.

Nach unserem Auftritt am Roten Platz hat man begonnen, uns genauer zu beobachten. Der Auftritt in der Kathedrale gab den Anlass für die Verhaftung, da es jetzt einen angeblich religiösen Kontext gibt.

Die Anwältin der Klägerseite, Larissa Pawlowa, sagt, beim Prozess gehe es nicht um Politik, sondern um „Rowdytum aus religiösen Motiven“. Hat sie völlig Unrecht?

Völlig. Die Klägerseite benutzt die Religion für ihre eigenen Zwecke. Es ist ihr sehr wohl bewusst, dass der Prozess politisch ist, auch wenn der Name Putin nie offen genannt wird.

Welche Rolle spielt die russisch-orthodoxe Kirche in diesem Verfahren?

Sie wird benutzt. Aber sie wissen nicht, wo sie hineingeraten sind: Das, was Kafka, Dante oder Gogol beschreiben, haben wir jetzt hier – im Jahr 2012.

Wie viel politische Macht hat die russisch-orthodoxe Kirche?

Wir haben keine weltliche Gesellschaft, die Macht der Kirche ist grenzenlos.

Vor Gericht haben die angeklagten Frauen gesagt, dass sie mit ihrem Auftritt moralisch falsch gehandelt haben. Seid ihr derselben Meinung?

Die Angeklagten haben gesagt, dass sie sich bei den Menschen entschuldigen, deren Gefühle verletzt worden sind. Das sehen wir genauso. Wir wollten niemals Menschen beleidigen oder kränken.

Bereut ihr euren Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale?

Nein.

Habt ihr keine Angst davor, dass man euch auch festnehmen könnte?

Wenn du in einem solchen Staat lebst, verstehst du, dass du jederzeit ins Gefängnis kommen könntest, und das ohne Grund. Der Staat opfert das Leben von Menschen, um weiter bestehen zu bleiben. Wir haben keine Angst mehr. Es ist jetzt sowieso bekannt, wer wir sind, unsere Telefone werden abgehört, die Post geöffnet.

Die Zeitschrift „The Observer“ hat euch eine Titelgeschichte mit dem Titel „Kann Pussy Riot Putin bezwingen?“ gewidmet. Wie würdet ihr diese Frage beantworten?

Ja, Pussy Riot wird es gelingen. Putin hatte schon zu dem Zeitpunkt verloren, als er die Justiz eingeschaltet hat.

Im Interview mit dem „Guardian“ habt ihr gesagt, dass Putin Angst vor euch hat. Warum?

Man sieht es an seiner Reaktion. Aber prinzipiell kämpfen wir nicht gegen Putin, sondern gegen das, was er mit dem Land macht. Den Platz des Diktators wird ein Diktator einnehmen.

In eurem Blog schreibt ihr, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, bis Putin die Länge der Haftstrafe nennt, die er für das „Punkgebet“ bemessen hat. Ist alles schon entschieden?

Dass alles schon entschieden ist, sagt man nicht so gerne.

Hängt die Zukunft von Pussy Riot davon ab, wie das Urteil ausfällt? Wie wird es mit der Gruppe weitergehen?

Wir warten das Urteil ab – und werden weitermachen.


Sofia Khomenko ist Chefredakteurin des Onlinemagazins mokant.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2012)

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