Tschechien: Streit um Rückgabe von Kirchenbesitz

Tschechien Streit Rueckgabe Kirchenbesitz
Tschechien Streit Rueckgabe Kirchenbesitz(c) EPA (FILIP SINGER)
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Die Linksparteien starten eine Kampagne gegen Entschädigungszahlungen: Es geht um die Rückgabe des unter dem kommunistischen Regime den Kirchen und Religionsgemeinschaften geraubten Eigentums.

Prag. Das Plakat zeigt zwei Hände: Die eine schaut aus der Soutane eines kirchlichen Würdenträgers heraus, die andere aus dem blauen Anzug eines bürgerlichen Regierungspolitikers. Letzterer reicht dem Geistlichen einen prall gefüllten Geldsack. Der Text dazu lautet: „134 Milliarden Kronen (5,2 Milliarden Euro) wollen ODS und TOP 09 (die beiden wichtigsten Regierungsparteien, Anm.) der Kirche schenken.“ Mit diesem Sujet, das nun in der ganzen Tschechischen Republik auf Plakatwänden zu sehen ist, machen die oppositionellen Sozialdemokraten (ČSSD) vor den anstehenden Regionalwahlen Front bei ihrem Lieblingsthema: Es geht um die Rückgabe des unter dem kommunistischen Regime den Kirchen und Religionsgemeinschaften geraubten Eigentums.

Wut auf die Habsburger

Die Sozialdemokraten sind im Verein mit den Kommunisten strikt gegen ein entsprechendes Gesetz, das gegen ihren erbitterten Widerstand bereits das Abgeordnetenhaus passiert hat und demnächst von der zweiten Kammer, dem Senat, begutachtet werden soll. Die ČSSD weiß sich dabei mit einer großen Mehrheit in der Tschechischen Republik in einem Boot: Das Unrechtsbewusstsein vieler Tschechen gegenüber der Kirche tendiert gegen Null.

Das hat geschichtliche Gründe: Die einstige Macht der katholischen Kirche in den böhmischen Ländern ist an die Herrschaft der Habsburger geknüpft. Und die 300 Jahre unter Wien gelten in der offiziellen tschechischen Geschichtsschreibung als die Zeit des „temno“ – der „Finsternis“. So kann es nicht verwundern, dass Tschechien das letzte Land in Europa ist, in dem es bis heute zu keinem Ausgleich zwischen Staat und Kirche gekommen ist.

„Geschenk“ an die Kirche

Zwar gab es rasch nach der Revolution 1989 einen Parlamentsbeschluss, der die Regierung dazu verpflichtete, sich mit der Kirche über eine Rückgabe des Eigentums ins Einvernehmen zu setzen. Es bedurfte jedoch jahrzehntelanger Verhandlungen, bis dabei ein Kompromiss herauskam: Nach dem Willen der jetzigen Prager Mitte-Rechts-Regierung sollen die Kirchen und Religionsgemeinschaften für Enteignungen unter dem KP-Regime mit umgerechnet 2,3 Milliarden Euro und Immobilien im Schätzwert von 2,9 Milliarden Euro entschädigt werden. Im Gegenzug will sich der Staat aus der Bezahlung der Priester zurückziehen; es käme zu einer strikten Trennung von Kirche und Staat.

Für die Linke in Prag ist das ein viel zu hoher Preis. Sie spricht von einem „Geschenk“ an die Kirche. Aber es handelt sich um eine Rückgabe, nicht um ein Geschenk. Der Wortführer der ČSSD in dieser Sache, Parteivize Lubomír Zaorálek, äußerte in seinem Blog die Sorge, dass „ohne Vertrag mit der Öffentlichkeit ein riesiges Paket an Geld und Immobilien in die Hände einiger schwer identifizierbarer Personen“ falle. Das erinnert fatal an die Zeit, als in Prag über die Rückgabe des Jüdischen Museums an die jüdische Gemeinde gestritten wurde. Seinerzeit äußerten Politiker ernsthaft die Angst, dass die „Schacher-Juden“ den reichen Bestand des Museums kurzerhand zu Geld machen würden.

Doch die jüdische Gemeinde ist beim jetzigen Gesetz nur eine Marginalie. Der neue „Klassenfeind“ – wie es empörte Kirchenvertreter ausdrückten – ist die katholische Kirche, die größte Glaubensgemeinschaft in Tschechien. Die hat sich unbeliebt gemacht, weil sie über viele Jahre vor Gericht mit der Präsidentschaftskanzlei über die Rückgabe des ebenfalls von den Kommunisten in Besitz genommenen Prager Veits-Doms stritt. Präsidentschaftskanzlei und die größte tschechische Kathedrale liegen in Nachbarschaft auf dem Hradschin über der Moldau.

„Linke verbreitet Neid und Hass“

Der Prager Kardinal Dominik Duka verglich nun die Plakate der Linken gegen die Eigentumsrückgabe mit Plakaten aus der NS-Zeit und der Ära der KP-Herrschaft. Das Vorgehen der ČSSD sei nicht nur „unkultiviert“, sondern eine „Gefahr für die Demokratie“. Die ČSSD appelliere an die niedrigsten Instinkte in der Bevölkerung – den Neid und den Hass.

Die Crux für die ČSSD ist aber noch eine andere: Mit der Eigentumsrückgabe klären sich endlich viele bisher ungelöste Fragen über Grundstücke in vielen Gemeinden. Bisher waren dadurch der Ausbau der Infrastruktur und die Ansiedlung von dringend erforderlichen Investoren blockiert. Das fällt auch vielen sozialdemokratischen Bürgermeistern auf den Kopf, die nach einer Lösung rufen. Aus deren Sicht ist der Widerstand der Parteiführung gegen die Kirchen-Restitution kontraproduktiv.

Auf einen Blick

Der ČSSD-Vizevorsitzende Lubomír Zaorálek ist Wortführer bei der Kampagne gegen Entschädigung für Kirchenvermögen, das das KP-Regime geraubt hatte.

Der Sozialdemokrat äußerte in seinem Blog die Befürchtung, dass durch Zuwendungen an die katholische Kirche und andere Glaubensgemeinschaften „Geld und Immobilien in Hände schwer identifizierbarer Personen fallen“. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2012)

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