Julian Assange: Endstation Ecuador?

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Die Entscheidung, dass der Wikilieaks-Gründer Asyl im Andenstaat erhält, ist am Donnerstag verkündet worden.

London. In der unendlichen Geschichte um WikiLeaks-Gründer Julian Assange (41) könnte diese Woche ein entscheidendes neues Kapitel aufgeschlagen werden: Seit fast zwei Monaten lebt der umstrittene Held der Internetgemeinde in einem Zimmer – mit Internetanschluss – in Ecuadors Botschaft im Londoner Nobelstadtteil Knightsbridge – Assange hat den Andenstaat um Asyl gebeten. So will der Gründer der Enthüllungsplattform der Auslieferung nach Schweden entgehen, wo er wegen mehrfacher sexueller Nötigung und Vergewaltigung befragt (aber noch nicht angeklagt) werden soll.

Ecuadors linkspopulistischer Präsident Raffael Correa hatte am Montag erklärt, er werde Mitte der Woche über den Fall beraten und dann entscheiden. Er habe „Sympathie“ für Assange – aber auch für Großbritannien und das internationale Recht. Schon die Möglichkeit, dass Assange von Schweden weiter in die USA ausgeliefert werden könnte, um dort wegen Geheimnisverrats zum Tode verurteilt zu werden, sei Grund genug, ihm Asyl zu gewähren. Keinesfalls werde er sich von Großbritannien, Schweden oder den USA unter Druck setzen lassen.

>>Die Entscheidung ist am Donnerstag gefallen: Ecuacor gibt Assange Asyl

Ergebnis für Donnerstag erwartet

In der Nacht auf Mittwoch hatte der im Fall Assange gewöhnlich gut informierte „Guardian“ berichtet, Correa habe bereits positiv entschieden. Dies wurde wenig später dementiert. Das offizielle Ergebnis soll am heutigen Donnerstag gegen 14 Uhr verkündet werden, sagte Patino.

Dabei hätte selbst eine positive Entscheidung für Assange derzeit nur symbolischen Wert: Vor der Botschaft warten rund um die Uhr Polizisten, die ihn festnehmen und abschieben sollen, sobald er das Gebäude verlässt. „Damit Herr Assange England verlassen kann, bräuchte er eine sichere Passage von der britischen Regierung. Das ist eine der Fragen, die wir berücksichtigen müssen“, sagte Ecuadors Außenminister Ricardo Patino. Das britische Außenministerium meinte, man habe grundsätzlich „eine rechtliche Verpflichtung gegenüber Schweden zur Auslieferung“, so ein Sprecher zur „Presse“, der den Fall allerdings nicht weiter kommentieren wollte.

Angst vor Auslieferung in USA

Assange wird von Schweden mit internationalem Haftbefehl gesucht und wurde deshalb in Großbritannien Ende 2010 unter Hausarrest gestellt. Er sieht sich als Opfer einer internationalen Verschwörung. Die Vorwürfe der sexuellen Nötigung seien konstruiert, um ihn über Stockholm an Washington auszuliefern, sagt er, die US-Justizbehörden hätten die Anklageschrift gegen ihn schon fertig.

Im November 2010 hatte WikiLeaks 500.000 geheime – und für die US-Regierung teilweise sehr peinliche – Botschaftsdepeschen veröffentlicht, zuvor zehntausende geheime Dokumente aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan.

Vergangene Woche hatte WikiLeaks nach langer Pause wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten wieder begonnen, geheime Dokumente online zu veröffentlichen: Diesmal sind es E-Mails der Sicherheitsfirma „Stratfor“, die Aufschluss über die weitreichenden Überwachungstechniken in den USA geben sollen. Einen massiven Hacker-Angriff, der die Plattform vorübergehend erneut lahmlegte, schoben die WikiLeaks-Anhänger prompt ebenfalls auf die US-Regierung.

Auf einen Blick

Julian Assange, Gründer der Internet-Enthüllungsplattform WikiLeaks, wird in Schweden wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung gesucht. Bevor ihn Großbritannien allerdings vor zwei Monaten ausliefern konnte, floh er in die Botschaft Ecuadors und beantragte Asyl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2012)

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