Netanjahu sieht rot: Scharfe Anklage gegen Iran

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu draws a red line on an illustration as he addresses the 67th United Nations General Assembly in New York
Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu draws a red line on an illustration as he addresses the 67th United Nations General Assembly in New YorkREUTERS
  • Drucken

Der israelische Premier vergleicht vor der UN-Generalversammlung das Regime in Teheran mit dem Terrornetzwek der al-Qaida.

NEW YORK. Das rote Lämpchen am Rednerpult leuchtete bereits, um damit das Ende seiner Redezeit zu signalisieren. Doch Benjamin Netanjahu ließ sich davon nicht im Mindesten irritieren. Für den israelischen Premier ging es in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung um Leben und Tod, um die Existenz seines Landes, wie er ausführte. Also zog er eine Schautafel hervor, auf der eine simple Grafik abgebildet war, verständlich für jedes Kind – mit Bombe und Zündschnur.

Und dann zückte er einen roten Filzstift und zog mit theatralischer Geste eine rote Linie. Bis hierher und nicht weiter, sollte dies heißen: Bei 90 Prozent angereichertem Uran sei jene Grenze erreicht, die das iranische Atomprogramm nicht überschreiten dürfe. Er zeichnete ein apokalyptisches Szenario. Im Frühjahr nächsten Jahres könnte das Regime in Teheran die Phase erreicht haben, für die es kein Zurück mehr gebe. Innerhalb weniger Wochen, wenn nicht Monaten sei der Iran in der Lage, eine Atombombe zu produzieren.

In der Geschichte der UNO reihte sich der Auftritt Netanjahus in historische Szenen ein, die einen Eindruck in der Nachtwelt hinterlassen haben: Der aufs Pult gehämmerte Schuh des Sowjet-Führers Nikita Chrustschow, die Pistole des PLO-Chefs Jassir Arafat, die Beweisführung des US-Außenministers Colin Powell im Vorlauf des Irak-Kriegs und der letzte Auftritt des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi. Der in den USA ausgebildete Medienprofi führte eine Anklage gegen den Iran – und dabei war ihm jedes Mittel und jede Metapher recht. Er verglich die iranische Führung mit dem Terrornetzwerk der al-Qaida. Inzwischen habe der Iran seine Tentakeln auf 22 Ländern ausgebreitet. Es wäre eine gefährliche Annahme zu glauben, dass ein atomar aufgerüsteter Iran – wie einst die Sowjetunion – im Gleichgewicht des Schreckens gehalten werden könnte, sagte Israels Premier.

Er bezeichnete die Mullah als „apokalyptische Führer“. Hätte der Westen früher rote Linien gegen das Nazi-Regime gezogen, wäre der Holocaust und die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs verhindert worden. Noch könne man eine solche Katastrophe stoppen. Würde die Welt dem Iran die Grenzen aufzeigen, würde sich dieser beugen. Es wäre Zeit für Verhandlungen gewonnen, und am Ende könnte Teheran womöglich ganz auf sein Nuklearprogramm verzichten, lautet das Kalkül Netanjahus.

„Bibi“ stiehlt Abbas die Show

Benjamin „Bibi“ Netanjahus Auftritt überschattete die Ansprache seines Vorvorgängers in der Redefolge, des Palästinenser-Präsidenten Mahmoud Abbas. Er stahl ihm die Show. Der Zufall wollte es so, dass der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa als Prellbock zwischen beiden Erzrivalen agierte. Im Vorjahr hatte Abbas bei der UN-Vollversammlung dem Generalsekretär Ban Ki-moon einen Brief überreicht, in dem er den Antrag auf eine Vollmitgliedschaft seines Volks stellte. Mittels Vetorechts im Sicherheitsrat schmetterten die USA das Ansinnen als Patronanzmacht Israels. Heuer setzte Abbas sein Ziel niedriger an. Er kündigte an, sich nach Vorbild der „Vatikan-Option“ für einen Beobachterstatus in der UNO zu bewerben, als Vorstufe für eine Mitgliedschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Spindelegger Freitag UNOGeneralversammlung
Außenpolitik

Spindelegger am Freitag vor UNO-Generalversammlung

Die UNO bemüht sich um eine friedliche Lösung in dem Atomstreit mit dem Iran. Bisher gebe es "leider noch keine substanziellen Fortschritte".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.