In erster Pressekonferenz nach Wiederwahl bot der Präsident den Republikanern die Stirn. Die Petraeus-Affäre spielte nur eine Nebenrolle.
[WASHINGTON] Seine erste Pressekonferenz nach der Wiederwahl im mit Goldbrokat bezogenen East Room des Weißen Hauses hatte sich Barack Obama wohl ein wenig anders vorgestellt. Der Präsident wollte seinen Erfolg etwas auskosten. Als er in der Vorwoche das Tête-à-tête mit der Presse einberief, war der Rücktritt des CIA-Chefs David Petraeus allerdings noch nicht das alles beherrschende Thema in Washington. Und so konzentrierten sich manche Fragen auch auf die Causa prima: Hätte der Präsident vom Fehltritt des CIA-Chefs und seiner peinlichen Sexaffäre nicht erst zwei Tage nach der Wahl, sondern viel früher erfahren müssen? Waren Staatsgeheimnisse gefährdet?
Im täglichen Pressebriefing hatte Jay Carney, der Pressesprecher des Weißen Hauses, das Pressekorps mit Brosamen abgespeist. Jetzt wartete es gebannt auf den Originalton des Präsidenten. Seit seiner kurzen Ansprache über die zum Ende des Jahres drohende „Finanzklippe" am Freitag hatte er sich nicht mehr zu Wort gemeldet. Doch Obama ließ sich nicht auf Details ein. Er vermied es, die Untersuchungen des FBI zu hinterfragen oder gar zu kommentieren.
Der gereizte Präsident
Stattdessen richtete er eine Kampfansage an die Opposition. Die republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham hatten gedroht, die mögliche Nominierung der UN-Botschafterin Susan Rice zur Außenministerin im Senat zu blockieren. Namens der Regierung hatte Rice in TV-Interviews einen terroristischen Hintergrund für den Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi vor zwei Monaten in Abrede gestellt. „Wenn sie glauben, dass Susan Rice ein leichtes Ziel ist, bekommen sie ein Problem mit mir. Sie sollten mich attackieren, nicht Susan Rice", sagte er gereizt. Er sprach von einer „Schmierenkampagne" und pries die UN-Botschafterin, seine erste Wahl als Nachfolgerin Hillary Clintons, in höchsten Tönen.
Die Pressekonferenz drehte sich um eine Palette von Themen - von Iran über Syrien bis zur Steuerdebatte und zum Klimawandel. Wie zuvor angedeutet, kündigte der Präsident eine Immigrationsreform an. Eine Reihe von Republikanern signalisierten ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit. In diesem Sinne zitierte der Präsident auch einen Briefschreiber aus Tennessee, der ihn nicht gewählt hatte. Und Obama fand sogar Lob für Mitt Romney.
Nach Gewerkschaftsführern und linksliberalen Vordenkern empfing er am Mittwoch auch hochkarätige Industriekapitäne im Weißen Haus, darunter die Chefs von General Electric und Ford. In einer Werbekampagne fordern sie ihn auf, nicht mit Nitroglyzerin zu spielen - das heißt, in der Debatte um die Abwendung einer finanziellen Notlage eine Einigung aufs Spiel zu setzen, die das Land in die Rezession stürzen könnte. Im Poker mit den Republikanern spielt Obama seine neue Macht aus: Für einen Zeitraum von zehn Jahren forciert er Steuererhöhungen von 1,6 Billionen Dollar.
In der zur Staatsaffäre hochgeputschten Sexaffäre des hochdekorierten Militärhelden Petraeus sind zwar noch längst nicht alle Ungereimtheiten aufgelöst, doch ergibt sich inzwischen ein klareres Bild. Die Senatorin Dianne Feinstein, die demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Kongresses, will Petraeus trotz seines Rücktritts zu einem Hearing vorladen.
Afghanistan-Oberkommandeur John Allen dürfte sich derweil keines Vergehens schuldig gemacht haben - außer eines exzessiven E-Mail-Verkehrs mit Jill Kelley. Verteidigungsminister Leon Panetta und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprachen Allen ihr Vertrauen aus. Seine Beförderung zum Nato-Oberbefehlshaber ist bis zu einer endgültigen Klärung des Falls vorerst suspendiert.
Warnung vor „Verführerin"
„Aus Höflichkeit", so ein Adjutant, habe der Südstaatengentleman Allen die Mails der obsessiven E-Mail-Schreiberin Kelley beantwortet. Viele Mails waren an seine Frau gerichtet, Kopien gingen an ihn. Paula Broadwell, die Petraeus-Biografin und Geliebte, adressierte indessen ein Mail auch an Allen, in dem sie ihn vor der „Verführerin" Kelley warnte. Sowohl Petraeus als auch Allen verwandten sich kürzlich persönlich für Jill Kelleys Zwillingsschwester, Natalie Khawam, im Sorgerechtsstreit um deren vierjährigen Sohn. Nach der Scheidung war er wegen ihrer psychischen Instabilität dem Exmann zugesprochen worden. Jill Kelley, die 37-jährige Frau eines Chirurgen, führte ein höchst aktives Gesellschaftsleben in Tampa und der nahen Militärbasis MacDill, der Kommandozentrale für die US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten. Wie sich indessen herausstellt, führten die Kelleys ein Leben auf großem Fuß - aber auf Pump.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15. November 2012)