„Ungarn wird nie Außenseiter sein“

János Martonyi
János MartonyiDie Presse
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János Martonyi, Außenminister der oft kritisierten Regierung Orbán, hält am Ziel eines Eurobeitritts fest – und seine eigene diplomatische Arbeit für „erfolgreich“.

Die Presse: Sie haben Michael Spindelegger soeben einen Orden überreicht für die „moralische Unterstützung“, die er Ungarns konservativer Regierung in „schwierigen Zeiten“ erwiesen habe. Welche konkrete Hilfe meinen Sie da?

János Martonyi: Sie wissen sehr gut, dass in vielen Kreisen, auch in Medien, eine starke politische Kampagne gegen Ungarn läuft. Wir haben von vielen Freunden sehr wertvolle Unterstützung erhalten, vor allem von unserer politischen Familie, der Europäischen Volkspartei. Ich schätze Michael Spindelegger sehr. Obwohl wirtschaftliche Interessen Österreichs betroffen waren, herrschte immer eine Atmosphäre des verständnisvollen Dialogs.

Die österreichischen Banken sind ziemlich enttäuscht. Ungarn hat seine Bankensteuer prolongiert, anstatt sie, wie angekündigt, zu halbieren.

Wir erwarten von den Banken nicht, dass sie glücklich sind. Wir erwarten, dass sie im Land bleiben. Wir haben dasselbe Interesse: eine erfolgreiche ungarische Wirtschaft.

Glauben Sie nicht, dass es gefährlich für Ungarn werden könnte, wenn es weiterhin Investoren verschreckt? Investoren brauchen Zuverlässigkeit.

Ich stimme völlig zu. Wir ermutigen Investoren definitiv. Aber wir verhehlen nicht, dass wir Investitionen in den Produktionssektor vorziehen, in Industrien, in denen Jobs geschaffen werden.

Österreichische Unternehmen wie Saubermacher fühlen sich nicht wirklich ermutigt, sondern bedroht. Sie fürchten ihre Enteignung durch das neue ungarische Abfallgesetz.

Dieses Thema wird im Moment diskutiert. Ich will in keine Details gehen. Nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre sind wir bei öffentlichen Dienstleistungen vorsichtig geworden. Am wichtigsten ist: Das Recht muss respektiert werden. Wenn es da Probleme gibt, korrigieren wir entsprechende Gesetze.

Sie haben keinen einfachen Job. Ihre Regierung stand von Tag eins an in der Kritik. Haben Sie es nicht satt, immer alles ausbügeln zu müssen?

Danke, ich nehme das als Anerkennung. Mein Job ist nicht einfach. Wenn ich aber auf die letzten zwei Jahre zurückschaue, muss ich sagen, dass ich erfolgreich war.

Glauben Sie wirklich, dass Ungarn am Gipfel seines internationalen Ansehens angekommen ist?

Das sage ich nicht. Ich sage nur, dass wir vieles voranbringen konnten.

Nach welchen Maßstäben?

Wir haben sehr gute Beziehungen zu allen unseren Nachbarn. Ich war schon ein Mal Außenminister: Unsere regionalen Beziehungen sind bedeutend besser als damals.

Und was ist mit den Beziehungen zu Rumänien? Premier Ponta warnte vor nationalistischen Tendenzen in Ungarn, wollte Parlamentspräsident Kövér die Einreise verweigern.

Die rumänisch-ungarischen Beziehungen waren nie so gut wie in den vergangenen zwei Jahren. Jetzt sind wir in einer Übergangsphase: Seit es in Bukarest eine neue Regierung gibt, haben wir die Beziehungen nicht weiterentwickelt, wir sind aber auch nicht zurückgefallen. Nach den rumänischen Wahlen am Sonntag werden wir weitersehen.

Die EU ist in Bewegung, in Richtung einer politischen Union. Ungarn ist nicht Teil der Eurozone. Befürchten Sie, dass Ungarn bei der neuen Entwicklung ein Außenseiter bleibt?

Ungarn wird nie ein Außenseiter in der EU sein. Wir werden die Eurozone sicher nicht davon abhalten, ihre Stabilisierung voranzutreiben. Aber lasst uns keine Feuermauern zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der EU aufbauen. Denn Ungarn wird eines Tages auch an der Eurozone teilnehmen.

Ihr Premier Orbán will ein Europa der Nationen, andere haben die Vision eines Bundesstaats. Wie soll das zusammengehen?

Ich habe das Entweder-oder zwischen einem Bundesstaat oder einem Europa der Nationen immer abgelehnt. Das hatte vielleicht vor 15 Jahren Gültigkeit. Heute sehen die Optionen anders aus. In manchen Bereichen müssen wir voranschreiten: Wir müssen die Fiskaldisziplin erhöhen, eine Bankenunion errichten, unsere Wirtschaftspolitik besser koordinieren und europäische Institutionen stärker als bisher demokratisch legitimieren. Gleichzeitig teile ich Orbáns Ansicht: Die nationale Identität wird stets stärker als die europäische sein.

Gemäß dem ursprünglichen Vorschlag, für den EU-Finanzrahmen müsste Ungarn künftig auf 30Prozent der Zuwendungen aus Kohäsionsfonds verzichten. Was ist Ihr Gegenvorschlag?

Es gibt schon Verbesserungsvorschläge, die wir jetzt aber nicht publik machen wollen. Uns geht es ums Prinzip. Was ist der Zweck der Kohäsionsfonds? Wollen wir Ressourcen von den Reichen zu den Armen transferieren? Oder wollen wir die Lage für die Reichen verbessern und für die Armen verschlechtern? Das gegenwärtige Modell würde die Wohlhabenden bevorzugen.

Stimmen Sie nicht zu, dass es in Zeiten wie diesen auch für die EU nötig ist, Ausgaben zu kürzen?

Da stimme ich überhaupt nicht zu. Europa bietet einen Mehrwert, und deshalb sollten wir es auch finanzieren. Wenn es keinen Mehrwert bietet, sollten wir es bleiben lassen. Ich unterstütze die Idee der Deutschen, das Geld effizienter auszugeben, aber es soll nicht weniger ausgegeben werden.

Ihr Fidesz-Parteikollege László Surján, Vizepräsident des Europaparlaments, schlug vor, die EU-Kommission einzusparen. Was sagen Sie dazu?

Es wäre immens unklug von mir, einen solchen Vorschlag zu kommentieren...

Ungarn will ein von chinesischen Geschäftsleuten inspiriertes Gesetz verabschieden, demzufolge jeder eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, der

250.000 Euro investiert. Ein seltsamer Vorgang.

Auf der ganzen Welt gibt es dutzende Länder, die seit Jahren so verfahren, inklusive Großbritannien. Es ist so typisch. Nur bei Ungarn wird zum Problem, was bei anderen kommentarlos hingenommen wird. Da wird mit zweierlei Maß gemessen.

Und woher soll dieser Doppelstandard kommen?

Ich kann darauf keine Antwort geben. Ich qualifiziere das nicht. Jeder soll sich seine eigene Meinung bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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