Bildersturm gegen Präsident Václav Klaus

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Eine Amnestie des tschechischen Staatschefs Václav Klaus erregt die Gemüter: Seine Porträts werden vielerorts demonstrativ abgehängt. Die Bilderstürmerei ist gesetzeswidrig, scheint aber niemanden zu stören.

Prag/Hjs. Das hat es in Tschechien noch nicht gegeben: In Hunderten Bürgermeisterämtern und Schulen werden die Bildnisse des amtierenden Präsidenten demonstrativ abgehängt. Genau das passiert derzeit vor allem im Bezirk Zlín in Mähren. Es ist die „kleine Rache“ der „kleinen Leute“ gegen eine Amnestie, die Präsident Václav Klaus am Neujahrstag ausgerufen hat, dem 20. Jahrestag der Gründung des unabhängigen tschechischen Staates.

Die Bürger sind nicht etwa wegen der Entlassung von kleinen Gaunern erbost. Die Tschechen sind verärgert darüber, dass große Wirtschaftsverbrecher freikommen, deren Ermittlungsverfahren kompliziert sind und mehrere Jahre dauern. Liefen sie länger als acht Jahre, sind diese laut Klaus jetzt Geschichte. Im Klartext: Menschen, die die laxen Rahmenbedingungen der Privatisierung unter dem einstigen Premier Klaus nutzen, um sich massiv zu bereichern, werden jetzt vom Präsidenten Klaus großzügig begnadigt.

Selbst das würden einige Tschechen noch hinnehmen. Aber an dieser Amnestie hängt mehr: Die Geschädigten der großen Wirtschaftskriminellen haben nach der Einstellung der Verfahren keine Chance mehr, für ihre immensen Verluste entschädigt zu werden. Das betrifft Hunderttausende Tschechen.

Von Kriminellen erpresst?

Die Bilderstürmerei ist gesetzeswidrig: Eigentlich scheidet Klaus erst am 7. März aus dem Amt. Und so lange müssten seine Bilder in den Bürgermeisterämtern und Schulen noch hängen. Dass sich niemand daran zu stören scheint, ist auch ein Ausdruck dafür, was die Betreffenden von der Ära Klaus generell halten. Im Internet hat sich in den vergangenen Tagen eine regelrechte Front gegen den amtierenden Staatschef gebildet. Knapp 100.000 Tschechen haben dort mittlerweile eine Petition gegen die Amnestie unterzeichnet. Eine Gruppe von Senatoren hat zudem das tschechische Verfassungsgericht angerufen, damit die Amnestie für unwirksam erklärt wird. Die Chancen dafür stehen aber nicht gut, folgt man den Sachverständigen in Sachen Verfassung.

Klaus selbst versteht derweil die Welt nicht mehr. Er habe es nur gut gemeint, betont er gebetsmühlenartig in Interviews. Doch genau das wird in Tschechien zunehmend bezweifelt. Es kursieren mittlerweile schon Gerüchte, dass der Präsident von zwar angeklagten, aber einflussreichen Straftätern zu seiner Amnestie erpresst worden sei. Belege dafür gibt es zwar nicht, aber derer bedarf es in der derzeit aufgeheizten Lage in Tschechien auch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)

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