Zwei Kriegsskeptiker, die ihre Lektion gelernt haben

Chuck Hagel
Chuck HagelAP
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Die Vietnam-Veteranen John Kerry und Chuck Hagel personifizieren als Außenminister und Verteidigungsminister den Wandel der US-Sicherheitspolitik unter Obama. Nur im äußersten Notfall plädieren sie für einen Waffengang.

Washington. Im Mekong-Delta in Südvietnam verdienten sich die beiden neuen Frontmänner des nationalen Sicherheitsteams Barack Obamas ihre ersten militärischen Sporen. Als Kommandant eines Schnellboots patrouillierte der designierte Außenminister John Kerry Ende der 1960er-Jahre den Fluss auf und ab. Einmal rettete er einen Leutnant einer US-Spezialeinheit aus der graubraunen Brühe, was ihm prompt den Bronze-Star-Orden eintrug.

Beinahe zur selben Zeit zogen die Brüder Chuck und Tom Hagel aus Nebraska als einfache Rekruten in den Krieg in Indochina. Sie retteten einander das Leben, Chuck zerrte Tom aus einem Panzerwrack, und hinterher schwor er sich: „Sollte ich je heil hier herauskommen und einmal eine Position mit politischem Einfluss ausüben, werde ich alles dafür tun, einen nutz- und sinnlosen Krieg zu vermeiden.“

All dies ereignete sich im Schlüsseljahr 1968, als auch die Heimatfront in Flammen stand, als der Protest gegen den Vietnam-Krieg an den Universitäten aufloderte, als Rassenunruhen und politische Attentate die Nation aufwühlten. Hochdekoriert und mit Granatsplittern im Körper kehrten John Kerry und Chuck Hagel aus Vietnam zurück in ein Land, das – wie heute – zutiefst gespalten war.

Die Vietnam-Veteranen erwarteten keine Konfettiparaden wie die Helden der beiden Weltkriege, sondern nur beißende Kritik an Gräueltaten und Napalm-Angriffen. Kerry wechselte die Seiten. Er wandelte sich zum Kriegsgegner, sagte vor dem Kongressausschuss aus und warf seine Orden vor dem Kapitol in Washington weg.

Das Vietnam-Trauma hat die Charaktere der beiden Senatoren geprägt: des Demokraten und Patriziersohns Kerry und Hagels, des Republikaners aus bescheidenen Verhältnissen, der später zum Millionär avancierte. Es vergehe kein Tag, an dem er nicht an Vietnam denke, gestand Hagel. Noch heute treiben ihn der Zynismus und die Fehler der damaligen Kriegsstrategen zur Weißglut. „Chuck weiß, dass Krieg nichts Abstraktes ist. Er versteht, dass wir nur dann junge Amerikaner in den Staub und Schlamm schicken, wenn es absolut notwendig ist“, sagte Präsident Obama bei dessen Nominierung als Verteidigungsminister.

Ein Novum: Er wäre der erste Rekrut und Vietnam-Veteran an der Spitze des Pentagon. Republikaner wie Ex-Hagel-Freund und Vietnam-Kriegsheld John McCain hintertreiben indessen das Avancement ihres Parteifreundes, neokonservative Ideologen wie Publizist Bill Kristol kreiden ihm seine spätere Skepsis gegenüber dem Irak-Krieg an. Wie John Kerry, den sie im Präsidentschaftswahlkampf 2004 mit einer Diffamierungskampagne überzogen, verachten sie Hagel als „Taube“. Dabei tat sich Hagel 1999 als glühender Verfechter des Kosovo-Kriegs hervor.

Rückzug von Schlachtfeldern

Obamas Wahl fiel nicht zufällig auf die Veteranen, sie personifizieren einen Wandel der US-Sicherheitspolitik. Nach mehr als einem Jahrzehnt der Feldzüge im Irak und in Afghanistan zieht sich die Supermacht von den Schlachtfeldern zurück. Als Krisenmanager und Vermittler bewies Kerry bereits in Obamas erster Amtsperiode Geschick. Auf Hagel kommt derweil die heikle diplomatische Mission zu, den Militäretat massiv zu reduzieren, ohne Aufschrei zu erregen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2013)

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