Obama will "Motor Amerikas, die Mittelschicht, zünden"

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Obama(c) Reuters (Charles Dharapak)
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In seiner ersten Rede zur Lage der Nation seit seiner Wiederwahl stellt US-Präsident Obama die Wirtschaft in den Vordergrund. "Weniger Schulden alleine sind kein volkswirtschaftlicher Plan", gibt er zu bedenken.

US-Präsident Barack Obama hat sich für seine zweite Amtszeit ehrgeizige Ziele gesteckt und den tiefgespaltenen Kongress zur Zusammenarbeit aufgefordert. In seiner Rede zur Lage der Nation machte sich Obama vor allem für die Mittelschicht stark und sagte, die Gewinne von Konzernen seien auf Rekordhöhen gestiegen, während sich die Löhne seit über einem Jahrzehnt kaum bewegten. "Es ist die Aufgabe unserer Generation, den wahren Motor von Amerikas wirtschaftlichem Wachstum erneut zu zünden - eine aufstrebende, gedeihende Mittelschicht", sagte der Präsident. Damit griff er ein Thema seines Wahlkampfes auf. Erneut forderte Obama Steuererhöhungen für reiche Amerikaner.

Weiters plädierte er für Milliardeninvestitionen in Straßen und Brücken. "Der Vorstandsvorsitzende von Siemens America - ein Unternehmen, das Hunderte neue Arbeitsplätze in North Carolina geschaffen hat - hat mir gesagt, dass sie noch mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn wir unsere Infrastruktur verbessern."

Die Rede vor beiden Parlamentskammern wurde vom erbitterten Streit mit den Republikanern über die Steuer- und Haushaltspolitik überschattet. Obama sagte, die Bürger verlangten von der Regierung nicht, jedes Problem zu lösen. Aber sie erwarteten, die Interessen des Landes über die der Parteien zu stellen. "Sie erwarten von uns, vernünftige Kompromisse zu finden." Dabei gab er zu bedenken, dass weniger Schulden allein kein volkswirtschaftlicher Plan seien. "Eine wachsende Wirtschaft, die Jobs schafft, Jobs für die Mittelschicht - das muss der Polarstern sein, der unsere Anstrengungen leitet", so Obama.

Obama will Mindestlohn anheben

Mit vielen seiner Vorschläge dürfte der US-Präsident auf Widerstand im Kongress stoßen: So will er den gesetzlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar auf 9 Dollar in der Stunde anheben. In der Regel sind Republikaner gegen eine solche Erhöhung und verweisen darauf, dass Unternehmen dann Arbeiter entlassen würden. Obama versuchte seine Gegenspieler daher auf andere Art und Weise zu ködern: "Hier ist eine Idee, auf die (der republikanische, Anm.) Gouverneur Romney und ich uns im letzten Jahr geeinigt haben: Lassen Sie uns den Mindestlohn an die Lebenshaltungskosten koppeln."

Auch mit seinem Plan, 50 Milliarden Dollar für Infrastruktur wie marode Straßen oder Brücken auszugeben, stößt Obama auf Skepsis. Ein Konjunkturprogramm im Umfang von 787 Milliarden Dollar hatte in seiner ersten Amtszeit nicht die erwünschte Wirkung auf die Arbeitslosenquote erzielt, die derzeit bei 7,9 Prozent liegt. Im historischen Vergleich ist dies ein hoher Wert.

Replik der Republikaner kam sofort

Für seine Vorschläge hat Obama etwa ein Jahr Zeit, weil Ende 2014 wieder Kongresswahlen anstehen. Sein republikanischer Widersacher John Boehner, der mit finsterer Miene hinter ihm saß, ließ noch während der Rede eine Mitteilung verbreiten. Darin kritisierte er, Obama habe seine Ansprache nicht genutzt, um eine Lösung vorzuschlagen.

Zwar konzentrierte sich Obama in seiner Rede auf Inlandsthemen. Er machte sich aber für ein weitreichendes Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union stark. "Heute Abend kündige ich an, dass wir mit Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft mit der Europäischen Union beginnen - denn Handel, der frei und fair über den Atlantik verläuft, unterstützt Millionen gut bezahlter amerikanischer Arbeitsplätze."

34.000 Soldaten sollen aus Afghanistan abziehen

Auf dem Gebiet der Außenpolitik kündigte Obama wie erwartet an, die US-Truppenstärke in Afghanistan um etwa die Hälfte zu verringern. "Heute kann ich verkünden, dass innerhalb des nächsten Jahres 34.000 weitere amerikanische Soldaten aus Afghanistan heimkommen werden. Dieser Rückzug wird weitergehen. Und bis zum Ende des kommenden Jahres wird unser Krieg in Afghanistan vorbei sein", so Obama. Die Truppen würden sich künftig auf die Ausbildung und Ausrüstung der afghanischen Armee und den Kampf gegen die al-Qaida konzentrieren, sagte der Präsident.

Obama kündigte auch an, nach dem Atomtest in Nordkorea die US-Raketenabwehr stärken zu wollen. Die USA würden zudem der Welt helfen, auf die Bedrohung durch das kommunistische Land zu reagieren. Das isolierte Nordkorea hatte am Dienstag einen Atomsprengsatz unterirdisch getestet und damit weltweit Kritik auf sich gezogen.

"Sie verdienen eine Abstimmung"

Der Präsident schnitt auch ein heikles Thema an: Waffen. Er richtete einen emotionalen Appell an die Abgeordneten, nach dem Amoklauf von Newtown endlich das Waffenrecht zu verschärfen. Das Land diskutiere darüber nicht zum ersten Mal, sagte Obama. "Aber dieses Mal ist es anders." Die Vorhaben zum Verbot von Sturmgewehren und zur strengeren Überprüfung von Waffenkäufern würden eine Abstimmung im Kongress verdienen.

Er erinnerte dabei an die zahlreichen Opfer von Waffengewalt: "Die Familien in Newtown verdienen eine Abstimmung. Die Familien in Aurora verdienen eine Abstimmung. Die Familien in Oak Creek und Tucson und Blacksburg und die unzähligen Gemeinschaften, durch die mit Waffengewalt ein Graben gerissen wurde - sie verdienen eine Abstimmung."

Einwanderung und Klimawandel

Obama drängte das Repräsentantenhaus und den Senat außerdem, eine Reform des Einwanderungsrechts zu verabschieden, die illegal im Land lebenden Menschen den Weg zu einer US-Staatsbürgerschaft aufzeigt. "Schickt mir in den nächsten Monaten ein umfassendes Gesetz zur Einwanderungsreform, und ich werde es sofort unterzeichnen", sagte er.

Wie bei seiner Vereidigung für eine zweite Amtszeit Mitte Jänner warnte der Präsident vor den Gefahren des Klimawandels und kündigte den Ausbau erneuerbarer Energien an. Obama erinnerte zudem an die Verwüstungen des Hurrikans "Sandy" im Herbst. Sein Appell: "Wir können glauben, dass der Supersturm Sandy, die härtesten Dürren seit Jahrzehnten und die schlimmsten Großflächenbrände, die einige Staaten je erlebt haben, alle ein seltsamer Zufall sind. Oder wir können an das überwältigende Urteil der Wissenschaft glauben - und handeln, bevor es zu spät ist."

(APA/AFP)

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