Sudetendeutsche: Tschechiens Premier bedauert Vertreibung

Sudetendeutsche: Tschechiens Premier bedauert Vertreibung
Sudetendeutsche: Tschechiens Premier bedauert VertreibungEPA
  • Drucken

Eine Rückgabe von Eigentum schließt Regierungschef Necas in einer Rede im bayerischen Landtag aber aus.

Der tschechische Regierungschef Petr Necas hat in einer Rede im bayerischen Landtag die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg bedauert. Außerdem beschwor er die gemeinsame Kultur beiderseits der deutsch-tschechischen Grenze. Bayern und Böhmen seien über Jahrhunderte ein gemeinsamer Kulturraum gewesen, betonte Necas am Donnerstag in München.

"Wir bedauern, dass durch die Vertreibung und zwangsweise Aussiedlung der Sudetendeutschen nach Kriegsende aus der ehemaligen Tschechoslowakei, die Enteignung und Ausbürgerung, unzähligen Menschen viel Leid und Unrecht angetan wurde", sagte Necas. Ein Zurück in die Zeit vor 80 Jahren könne es aber nicht geben. Eine Rückgabe enteigneten Eigentums schloss Necas aus: "Die Eigentumsverhältnisse vor dem Krieg können nicht wiederhergestellt werden."

Necas ging damit nicht über die deutsch-tschechische Erklärung aus dem Jahr 1997 hinaus, seine Rede wurde aber von den Vertretern der Sudetendeutschen sehr positiv aufgenommen. "Aus einem kleinen Schritt ist ein sehr großer geworden", sagte Bernd Posselt (CSU), der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. Es war die erste Rede eines tschechischen Politikers im bayerischen Landtag.

Ministerpräsident Horst Seehofer sagte nach Necas' Rede, die Beziehungen seien "einen Riesen-, Riesenschritt" vorangekommen. "Ich würde aber noch nicht von totaler Normalität sprechen. Normalität haben wir dann, wenn sich die Frage nach der Normalität nicht mehr stellt.".

CSU-Fraktionschef Georg Schmid sprach von einer "großen Rede" und einem "historischen Moment". "Eine gute Grundlage für die Zukunft" sieht auch Landtagsvizepräsident Franz Maget (SPD).

Benes-Dekrete

Die Sudetendeutschen wurden auf Basis der sogenannten Benes-Dekrete enteignet und vertrieben. Insgesamt hatte der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes der Exilregierung in London und der Nachkriegsregierung in Prag 143 Dekrete erlassen, um nach der sechsjährigen Besetzung durch Nazi-Deutschland die Rechtsordnung wiederherzustellen. 1946 billigte die Einstweilige Nationalversammlung (Parlament) die Dekrete, die damit Gesetz wurden.

Auf der Grundlage von fünf dieser Dekrete wurden die seit Jahrhunderten in Böhmen und Mähren lebenden fast drei Millionen Deutschsprachigen nach 1945 als Vergeltung für die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler-Deutschland enteignet. Gleichzeitig schufen die Verfügungen die Voraussetzung für die Ausweisung der deutschen Minderheit. Die Dekrete werden als menschenrechtswidrig eingestuft, weil sie auf dem Prinzip der Kollektivschuld basierten und gegen die Unschuldsvermutung - die Betroffenen mussten ihre Unschuld nachweisen - verstießen. Die Dekrete sind weiterhin Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung, auch wenn sie ihre Wirkung verloren haben.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.