Italien-Patt löst Panik in Südeuropa aus

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ItalienPatt loest Panik Suedeuropa(c) Reuters (Remo Casilli)
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Spanien, Portugal, Griechenland und Frankreich fürchten eine neuerliche Verschärfung der Schuldenkrise.

Brüssel. Nicht nur auf den Finanzmärkten regierte gestern die Furcht vor einer neuerlichen Eskalation der Eurokrise. Das politische Patt in Italien hat in Südeuropa Panik ausgelöst. Spaniens Außenminister, José Manuel Garcia-Margallo, sprach von einem „Sprung ins Nirgendwo“, der weder für Italien noch für die EU Gutes verheiße. In Paris bezeichnete Finanzminister Pierre Moscovici die Situation als „besorgniserregend“.

Die Befürchtungen haben eine politische und eine wirtschaftliche Komponente. In Südeuropas Hauptstädten ist der Ärger über die Flucht der italienischen Wähler vor Reformen spürbar – schließlich haben Spanier und Griechen trotz einer ungleich schwierigeren Ausgangslage für die Beibehaltung der Sanierungsprogramme gestimmt.

In ökonomischer Hinsicht geht in Madrid, Lissabon, Athen und Paris die Angst um, dass die Querelen für deutlich höhere Finanzierungskosten sorgen könnten. Am Dienstag bewahrheitete sich diese Befürchtung (noch) nicht, die Zinsen für zehnjährige spanische Papiere legten um lediglich 0,15 auf 5,32 Prozent zu. In Rom fiel der Anstieg mit rund 50 Basispunkten im Tagesverlauf allerdings deutlich aus.

Die Lage mag zwar kurzfristig im Griff sein, doch auf längere Sicht ist Italien für Europa ein existenzielles Problem – wegen seiner hohen Staatsschuld von derzeit 128 Prozent des BIPs und wegen miserabler Wachstumsaussichten. Für heuer erwartet Brüssel, dass die Wirtschaft um einen Prozentpunkt schrumpfen wird. Als Nummer drei der Eurozone ist das Land schlicht zu groß, um von seinen Partnern aufgefangen zu werden.

Wolfango Piccoli von der Londoner Ideenschmiede Eurasia Group rät dennoch zur Zurückhaltung: „Das Letzte, was Italien jetzt braucht, sind Zurufe aus Berlin“, die als provokant aufgefasst werden und die Stimmung in Rom aufheizen könnten. Der Analyst geht nicht davon aus, dass Italien kurzfristig europäische Geldspritzen benötigen wird. „Dazu bräuchte es konstanten Marktdruck über eine längere Periode. Und außerdem bedarf es einer Regierung, um etwa bei der EZB Hilfe anzufordern.“ Und diese Voraussetzung wird Italien wohl noch eine Weile nicht erfüllen. Laut dem Chef der Euro-Arbeitsgruppe, Thomas Wieser, ist es „noch zu früh für solche Sorgen“.

Dieses Jahr werden erneut 100,4 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen fällig. Käme Rom bis zum Sommer in Finanzierungsnotstand, wäre der politische Spielraum für spontane Hilfe klein. Kurz vor den deutschen Wahlen gilt ein neues Hilfsprogramm als nicht durchsetzbar. Die einzige Option wäre das Einschreiten der Europäischen Zentralbank. Mit neuerlichen Ankäufen von Staatsanleihen könnte sie die Lage vorübergehend stabilisieren. Es wäre nicht das erste Mal, wie EZB-Chef Mario Draghi kürzlich bestätigte. Die Zentralbank hat bereits Stützungskäufe von rund 100 Milliarden Euro für Italien getätigt.

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Offiziell widerspräche eine solche Rettungsaktion den politischen Vereinbarungen. Denn Draghi hat zwar die Möglichkeit unbegrenzter Anleihenankäufe durchgesetzt und damit zu einer Beruhigung der Märkte beigetragen. Deutschland hat dies aber nur mit der Auflage akzeptiert, dass Ankäufe lediglich im Rahmen von Rettungsprogrammen mit konkreten Reformauflagen möglich sind.

Italien könnte bereits in wenigen Monaten Neuwahlen abhalten

Angesichts der verfahrenen Situation ist dieses Szenario gar nicht so unwahrscheinlich. Sollte keine tragfähige Regierung zustande kommen, könnte Staatspräsident Giorgio Napolitano versuchen, wenigstens eine Übergangsmehrheit zusammenzutrommeln, die nur die seit Jahren verschleppte Aufgabe hätte, das Wahlrecht zu reformieren und – weil die Zeit drängt – einen Nachfolger für ihn selbst zu wählen. Treffen wenigstens hier die Interessen der Linken und Berlusconis zusammen, würde wahrscheinlich im Herbst gewählt.

Eine Große Koalition aus Sozialdemokraten und Berlusconi

Der Sozialdemokrat Pier Luigi Bersani bekommt den Auftrag zur Regierungsbildung. Handelt er sich im zersplitterten Senat eine verlässliche Mehrheit heraus, geht alles glatt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber nicht hoch: Eine Große Koalition mit Berlusconi gilt als quasi ausgeschlossen, und Beppe Grillo hat Unterstützung nur für auszuhandelnde Einzelfragen versprochen. Scheitert Bersani, gibt er den Auftrag zur Regierungsbildung zurück. Dass ihn danach ein anderer bekommt, Berlusconi gar, gilt als ausgeschlossen. Im Abgeordnetenhaus hat der Cavaliere sowieso keine Mehrheit, und wenn im Senat eines sicher ist, dann, dass sich wenigstens gegen Berlusconi alle einig sind: Sozialdemokraten, Grillini und Montianer.

Auf Monti folgt ein weiteres Technokratenkabinett

Angesichts der Krise der Nation und der Auswirkungen für Europa könnte Präsident Napolitano erneut – wie nach dem erzwungenen Rücktritt Berlusconis im November 2011 – die Sozialdemokraten und das Mitte-rechts-Bündnis zu einer Zusammenarbeit unter einem neuen „technokratischen“ Premier bewegen. Das wäre eine Neuauflage des „Systems Mario Monti“ – allerdings ohne ihn. Nachdem Monti bei der Wahl mit einer eigenen Partei angetreten ist, wird ihn im Parlament niemand mehr als überparteilichen Lehrmeister akzeptieren. Der scheidende Premier hat sich damit aus dem Spiel genommen. Wer aber soll dann den Monti machen? Es ist keiner in Sicht. Damit steht und fällt aber diese Lösung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2013)

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