Chinas Dilemma mit dem Kim-Regime

Chinas Dilemma KimRegime
Chinas Dilemma KimRegime(c) REUTERS (KCNA)
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Die internationale Gemeinschaft hofft, dass Peking seinen einstigen Verbündeten zur Vernunft bringt. Doch der Einfluss ist inzwischen geschwunden.

Peking. Das ist neu in China: Seit Wochen fallen chinesische Blogger im Internet über Nordkoreas Jungdiktator Kim Jong-un her. Als „Fettwanst“ verspotten sie ihn, sie nennen ihn „Baby-Kim“ oder bezeichnen ihn als „Irren“. Solche Einträge haben die staatlichen Zensurbehörden bis vor Kurzem noch unverzüglich löschen lassen, handelt es sich schließlich um den Staatschef eines befreundeten Bruderstaates. Doch derzeit sind diese Einträge auch Tage später noch zu finden, was darauf hinweist, dass auch Chinas Führung nur mehr wenig Verständnis für das Kriegsgeschrei aus Pjöngjang übrighat.

Spätestens seit dem offensichtlich geglückten Atomtest des nordkoreanischen Regimes Mitte Februar ist Peking sauer auf den nordöstlichen Nachbarn, mit dem seit immerhin 1961 ein Pakt besteht, der uneingeschränkte Hilfe zusichert, falls einer von beiden angegriffen wird. Doch angesichts Pjöngjangs täglich neuen Hasstiraden reißt auch den Chinesen der Geduldsfaden.

Grünes Licht für Atomschlag

Nordkoreas Führung hat am Donnerstag offiziell grünes Licht für den atomaren Erstschlag auf die USA gegeben und Raketen an ihrer Ostküste stationiert. Nach Angaben aus Seoul verfügen die Raketen über keine interkontinentale Reichweite. Die USA haben auf Guam indessen ihr Potenzial verstärkt, und Russland bezeichnete das Vorgehen Nordkoreas als „inakzeptabel“.

Offiziell ruft Chinas Außenamtssprecher, Hong Lei, alle Beteiligten zur Ruhe und Besonnenheit auf. Auf einer Pressekonferenz äußerte er Chinas tiefe Besorgnis über die Lage auf der koreanischen Halbinsel. Die Ankündigung der nordkoreanischen Führung, ihre Atomanlage Yongbyon wieder in Betrieb nehmen zu wollen, werde von der chinesischen Regierung „mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen. „Wir wenden uns gegen jegliche Provokation“, sagte Hong Lei. Eine Verurteilung Nordkoreas blieb vorerst aber aus.

Chinas Staatsmedien hingegen wettern seit Wochen ungewohnt heftig gegen den einstigen Verbündeten. „Nordkoreas Atomspiele gefährden China“, titelte am Mittwoch die „Global Times“, das Schwesterblatt des KP-Zentralorgans „Peoples Daily“. Die „Study Times“, Zeitung der zentralen Parteischule, fordert gar, das Bündnis mit Nordkorea ganz aufzukündigen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Kim-Regime mit atomarer Bewaffnung auch China erpressen könnte. Und auch ranghohe Kader melden sich zu Wort: Luo Yuan, ehemaliger General-Major der chinesischen Volksbefreiungsarmee, erklärte, es sei unwichtig, dass man früher auf einer Seite gekämpft habe. „Wer bewusst unseren Interessen schadet, den müssen wir uns vornehmen.“

Nordkorea als Pufferstaat

Warum Chinas Führung nach offizieller Lesart dennoch weiter die schützende Hand über Nordkorea legt, hat damit zu tun, dass sich Peking in einer Zwickmühle sieht. Chinas Regierung hat kein Interesse daran, dass Pjöngjang zur Atommacht aufsteigt – für zu unberechenbar hält auch Peking den jungen Kim. Einen Sturz des Regimes will Peking aber auch nicht riskieren – zu groß ist die Gefahr, dass wie im Rest Ostasiens eine proamerikanische Regierung die Führung in Pjöngjang übernehmen könnte und die Stationierung von US-Soldaten bis zur chinesischen Grenze zulassen würde. „Peking will Nordkorea als Pufferstaat erhalten“, sagt der chinesische Außenpolitikexperte Zhu Zhangping.

US-Außenminister John Kerry bat Chinas Führung, den jungen Kim zur Vernunft zu bringen. Doch selbst Berater der chinesischen Regierung bezweifeln, ob Peking noch wirklich über viel Einfluss verfügt. „Es ist unmöglich, Nordkorea zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bringen“, sagt Liu Ming von der „Shanghai Academy of Social Studies“.

Auf einen Blick

Nordkorea schraubte die Kriegsrhetorik weiter hinauf. Das Regime gab grünes Licht für den Atomschlag gegen die USA, verlegte eine Rakete an die Ostküste des Landes und handelte sich von allen Seiten prompt Kritik ein. Südkoreas Verteidigungsminister bezweifelt die atomare Kapazität des „Bruderstaates“: Die Rakete verfüge nicht über eine interkontinentale Reichweite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2013)

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