Italien: Berlusconi & Co. feilschen ums Präsidentenamt

Berlusconi Praesidentenamt
Berlusconi Praesidentenamt(c) REUTERS (STEFANO RELLANDINI)
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Ab Donnerstag wählt das Parlament einen Nachfolger für Präsident Napolitano. Gesucht wird diesmal ein Kandidat, der Berlusconi genehm ist: Denn er soll die Bildung einer linksgeführten Regierung unterstützen.

Rom. Pier Luigi Bersanis Sozialdemokraten, Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“, Beppe Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ – bis heute haben sich die drei großen Blöcke im Parlament auf keine Koalition geeinigt. So steht Italien fast zwei Monate nach der Wahl noch immer ohne Regierung da. Nun soll die Wahl eines neuen Staatspräsidenten die Dinge in Bewegung bringen.

Zwar läuft die Amtszeit des fast 88-jährigen Giorgio Napolitano erst am 15. Mai aus. Da er aber trotz seiner großen persönlichen Autorität und seiner in sieben Jahren Amtszeit vielerprobten Überzeugungskunst die Parteien bisher nicht zur Zusammenarbeit bewegen konnte – und da er keine rechtlichen Möglichkeiten mehr hat, einen Ausweg aus der Krise zu weisen – wurde die Wahl seines Nachfolgers vorgezogen. Heute, Donnerstag, sollen die Abgeordneten der beiden Parlamentskammern, die vier Senatoren auf Lebenszeit und die 58 Delegierten aus den zwanzig italienischen Regionen zusammentreten; das ergibt 1007 Wähler. Wann der neue Präsident feststeht, ist offen: Mancher Staatspräsident ist in Italien schon im ersten Wahlgang gewählt worden, andere brauchten dafür 23 Wahlgänge.

Bersani will unbedingt Premier werden

Zwar wird formal eine Respektsperson gesucht, die – nach dem Vorbild Napolitanos – das Land und den Politikbetrieb zusammenhält und die für Italien vor der Weltöffentlichkeit auch dann eine gute Figur macht, wenn die gerade Regierenden dazu nicht taugen. Diesmal zählen aber andere Kriterien. Die Parteien fragen sich in erster Linie, unter welchem Kandidaten welcher Ausweg aus dem politischen Patt zu erwarten wäre: eine Große Koalition zwischen Sozialdemokraten und Berlusconi? Eine Minderheitsregierung unter Pier Luigi Bersani? Eine technisch-politische Übergangsregierung mit einem inhaltlich und zeitlich knapp bemessenen Mandat? Oder Neuwahlen sofort, vor den Sommerferien?

Die Interessen sind sehr unterschiedlich, nicht nur zwischen den Parteien:

Gerade innerhalb der Linksdemokraten ist ein offener Streit ausgebrochen. Auch wenn die Sozialdemokraten als zahlenmäßig größter Block in der Bundesversammlung das Vorschlagsrecht für den neuen Staatspräsidenten haben, ist keineswegs gesichert, dass sie einheitlich abstimmen werden.

Linksdemokratenchef Pier Luigi Bersani will unbedingt Premier werden. Aus eigenen Kräften schafft er es nicht, das gibt die Sitzverteilung im Parlament nicht her. Die Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo verweigert sich einer Koalition; die Bildung einer instabilen Minderheitsregierung ließ Giorgio Napolitano unter Hinweis auf die Krise des Landes nicht zu. Bleibt nur ein Bündnis mit Berlusconi. Um sich den Weg dorthin nicht zu verbauen, musste Bersani nach einem Kandidaten suchen, der dem rechten Lager genehm ist. Berlusconi reagierte positiv: Sollte er seine eigenen Bedürfnisse garantiert sehen, werde das „Volk der Freiheit“ eine Minderheitsregierung Bersanis dulden, sagte er. Trotzdem besteht er weiter auf „Absprachen inhaltlicher Art“.

Berlusconi will von Prodi nichts wissen

Streben die Sozialdemokraten also nach einer Regierung von Gnaden Berlusconis – nach einem Bündnis, das bis vor Kurzem noch undenkbar schien – dann kämen gleich zwei Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten infrage: Giuliano Amato und Massimo D'Alema. Beide haben als Minister und Regierungschefs ihre politische Erfahrung, beide sind lagerübergreifend angesehen, beide sind Berlusconi genehm, beide sind im Ausland vorzeigbar.

Streben die Sozialdemokraten aber nach dem Bruch, nach der Entthronung des verhinderten Wahlsiegers Bersani, nach Neuwahlen, dann müssen sie Romano Prodi wählen. Der Ex-Präsident der EU-Kommission galt in den vergangenen Tagen als aussichtsreicher Kandidat – aber Prodi ist der einzige Linke, der Berlusconi bei Parlamentswahlen geschlagen hat, und das gleich zweimal: 1996 und 2006. „Wenn Prodi Staatspräsident wird, wandern wir aus“, sagte Berlusconi. Dann gebe es Neuwahlen und das stört manche Sozialdemokraten gar nicht: Der junge Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, der die alten Kader seiner Partei „verschrotten“ will, sieht in Neuwahlen seine persönliche Chance, und hinter ihm stehen jene in der Partei, die auf Wandel setzen. Ob sie stark genug sind, wird sich bei der Präsidentenwahl zeigen. Dann gibt es noch Beppe Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“, die die angesehene TV-Journalistin Milena Gabanelli zu ihrer Spitzenkandidatin gekürt hat. Gabanelli, die ohnehin kaum Chancen hatte, erklärte gestern, sie wolle lieber Journalistin bleiben.Grillos Coup aber bestand darin, gleich hinter ihr Verfassungsrichter Stefano Rodotà nominiert zu haben, der auch für viele Sozialdemokraten attraktiv ist – auch Grillo legt es auf die Spaltung der Linksdemokraten an. In den ersten drei Wahlgängen ist die Zweidrittelmehrheit erforderlich. Hier haben nur Giuliano Amato und Massimo D'Alema eine Chance. Ab dem vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit; sollten die Sozialdemokraten geschlossen abstimmen, müssten sie für einen Sieg nur neun Abgeordnete anderer Parteien gewinnen. Das könnte die Stunde Romano Prodis sein – oder eines Außenseiters, den Bersani erst dann aus dem Hut zaubert.

Die Kandidaten

Giuliano Amato (75)
Der Sozialdemokrat wird parteiübergreifend geschätzt. Der Ex-Premier ist überzeugter Europäer. Massimo D'Alema (64)
Der Ex-Kommunist und Ex-Premier gilt als großer Taktiker. Er genießt das Vertrauen Silvio Berlusconis.
Romano Prodi (73)
Der Ex-Premier und Ex-EU-Kommissionschef ist international angesehen. Berlusconi hasst ihn.

Sabino Cassese (77)

Der parteiunabhängige Jurist gilt als Reservekandidat von Pier Luigi Bersani,.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2013)

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