Italien: Prodi-Wahl gescheitert, Bersani tritt zurück

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Der Mitte-links-Block hatte Prodi für Durchgang vier der Präsidentenwahl aufgestellt. Bündnis-Chef Bersani kündigt nach dem Scheitern seinen Rücktritt an.

Die vierte Abstimmung für die Wahl eines neuen Präsidenten in Italien ist am Freitag mit einer schweren Enttäuschung für den Mitte-links-Kandidaten Romano Prodi zu Ende gegangen. Der Ex-EU-Kommissionspräsident musste sich mit lediglich 395 Stimmen begnügen, was deutlich unter dem notwendigen Quorum von 504 Stimmen lag.

Die Mitte-links-Allianz, die ihn unterstützte, verfügt im Parlament über 498 Stimmen. Die Tatsache, dass über 100 Parlamentarier des Mitte-links-Blocks nicht für Prodi gewählt haben, wird von politischen Beobachtern in Rom als Signal der tief greifenden Spaltung im Lager von Pierluigi Bersani bewertet.

Bersani wird zurücktreten

Nach Prodis gescheiterter Wahl ist Mitte-links-Chef Bersani unter starken Druck geraten. Am Abend kündigte der Vorsitzende der "Demokratischen Partei" (PD) seinen Rücktritt als Parteichef an, der nach der Wahl des neuen Staatspräsidenten erfolgen werde. Das berichtet die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Die Partei habe mit der gescheiterten Wahl Prodis einen dramatischen Tag erlebt.

Prodi zieht Kandidatur zurück

Prodi hat am Freitagabend seine Kandidatur zurückgezogen. Die ihm von der Linken angebotene Aufgabe habe ihn sehr geehrt, es seien nun aber die "Bedingungen" dafür nicht mehr gegeben, hieß es in einer Mitteilung, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete.

Zweitgewählter Kandidat bei der vierten Abstimmung war der Jurist Stefano Rodota, der von der Protestbewegung "Fünf Sterne" ins Rennen ging und 213 Stimmen erhielt. Innenministerin Annamaria Cancellieri, Kandidatin des Zentrumsblocks "Scelta Civica" um den scheidenden Premier Mario Monti, schaffte es auf 78 Stimmen. Die Präsidentenwahl wird am Samstagvormittag fortgesetzt.

Absolute Mehrheit zählt ab 4. Wahlgang

Auch der dritte Urnengang der Präsidentenwahl war am Freitag zuvor ohne Ergebnis geblieben: Die meisten Abgeordneten gaben leere Stimmzettel ab, um mangels eines mehrheitsfähigen Kandidaten mehr Zeit für Sondierungen zu haben. In der Folge hatte die Mitte-Links-Allianz einen Kurswechsel angekündigt und erklärt, ab sofort für Prodi zu stimmen.

Der Kompromisskandidat von Bersani und Mitte-Rechts-Chef Silvio Berlusconi, Ex-Senatspräsident Franco Marini, war zuvor zweimal an der Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament gescheitert ("Die Presse" berichtete). Ab dem vierten Wahlgang genügte nun die absolute Mehrheit, also 504 von 1007 Stimmen.

Napolitano bis 15. Mai im Amt

Die Amtszeit des fast 88-jährigen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano läuft am 15. Mai aus. Wann der neue Präsident feststeht, ist offen: Mancher ist in Italien schon im ersten Wahlgang gewählt worden, andere brauchten dafür 23 Wahlgänge.

(Red./APA)

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