Türkischer Außenminister sieht Friedensprozess als "unumkehrbar". Aber noch bleiben Fragen offen.
Istanbul. Die kurdische Untergrundorganisation PKK hat den Abzug ihrer 1500 Kämpfer aus der Türkei angekündigt: Ab dem 8. Mai sollen sie sich in PKK-Stützpunkte im Nordirak zurückziehen. Damit erreicht der Ende vergangenen Jahres begonnene türkisch-kurdische Friedensprozess eine neue Dimension. In der Türkei wächst die Hoffnung, dass fast drei Jahrzehnte Krieg zu Ende gehen. Außenminister Ahmet Davutoğlu betrachtet den Friedensprozess bereits als „unumkehrbar“.
Murat Karayilan, amtierender Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) seit der Inhaftierung von deren Gründer Abdullah Öcalan 1999, sagte im Hauptquartier der Rebellen in den nordirakischen Kandil-Bergen, eine neue Ära habe begonnen. Der Abzug der PKK-Kämpfer nach Nordirak markiere die erste Phase eines Prozesses, der mit der endgültigen Entwaffnung der Rebellen enden könne, wenn die türkische Seite mitziehe.
Karayilan warnte zugleich, der Friedensprozess sei nicht in Stein gemeißelt. Falls seine Kämpfer beim Rückzug angegriffen würden, werde der Abzug sofort gestoppt und der Kampf wieder aufgenommen. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan hat mehrmals versichert, dass die türkische Armee die PKK-Einheiten in Frieden abziehen lassen würden.
Die Rebellen sollen sich im Nordirak in Lagern sammeln. Karayilan sagte, nach dem Abzug müssten politische Schritte des türkischen Staates zur Lösung der Kurdenfrage folgen. Er forderte verfassungsrechtliche Garantien, um die Rechte der Kurden zu verankern. Zudem soll Ankara die sogenannten Dorfschützer-Verbände, eine regierungstreue Kurdenmiliz, und Sondereinheiten des Militärs für den Anti-PKK-Kampf auflösen. Dann werde auch die Freilassung von PKK-Chef Öcalan auf die Tagesordnung kommen.
Konflikt mit 40.000 Toten
Öcalan verhandelt seit Dezember auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul mit dem türkischen Geheimdienst über eine Friedenslösung. Premier Erdoğan dringt nicht zuletzt mit Blick auf die in kommenden zwei Jahren anstehenden Präsidenten- und Parlamentswahlen auf eine Beilegung des Konflikts, der seit 1984 mehr als 40.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht getrieben hat. „30 Jahre Krieg gehen zu Ende“, titelte eine türkische Zeitung am Donnerstag.
Doch wichtige Fragen sind weiter offen. So ist nicht bekannt, welche Zugeständnisse der türkische Staat im Gegenzug für das Ende des bewaffneten Kampfes der PKK gegenüber machen will. Auch dürfte die von Karayilan geforderte Abrüstung auf türkischer Seite auf Widerstände stoßen. Türkische Nationalisten laufen gegen das Abkommen Sturm, weil sie die Teilung des Landes befürchten.
Dennoch wurde Karayilans Erklärung in der türkischen Regierungspartei AKP positiv aufgenommen. Die stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende, Ayse Nur Bahcekapli, sagte, nun stünden nicht mehr die Waffen im Vordergrund, sondern die einander freundschaftlich gereichten Hände.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)