Kehrtwende Obamas in Syrien: Bald Waffenlieferung an Rebellen?

Kehrtwende Obamas in Syrien
Kehrtwende Obamas in Syrien(c) REUTERS (LARRY DOWNING)
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Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen setzen die US-Regierung unter Druck. Bisher hat man dies immer abgelehnt, aus Angst, die Waffen könnten in die Hände von islamistischen Kämpfern fallen.

Washington/Damaskus/Wien. Lange Zeit hatte sich in der US-amerikanischen Syrien-Politik nichts bewegt. Washington wartete ab, zögerte, und war allenfalls zu verbaler Schützenhilfe für die Opposition und zur indirekten Unterstützung von Waffenlieferungen bereit. Nun deutet sich eine Kehrtwende an: Präsident Barack Obama erwäge die Lieferung „tödlicher Waffen“ an die Rebellen, berichtete die „Washington Post“. Bisher hat man dies immer abgelehnt, aus Angst, die Waffen könnten in die Hände von islamistischen Kämpfern fallen, die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida in Verbindung stehen. Eine endgültige Entscheidung soll in den kommenden Wochen fallen.

Noch ist nicht ganz klar, was zum Umdenken geführt hat. Möglicherweise sind es die gehäuften Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen, wobei diese Berichte bisher nicht endgültig verifiziert werden konnten. Unklar ist zudem, wer die Waffen jeweils eingesetzt hat, Regime und Rebellen beschuldigen einander. Damaskus hat die UNO um eine Untersuchung vor Ort gebeten, konnte sich mit den Experten aber nicht über die Modalitäten der Inspektionen einigen. Das Thema ist schon insofern extrem heikel, weil die USA den Einsatz von Chemiewaffen stets als „rote Linie“ bezeichnet haben, deren Überschreiten eine militärische Intervention zur Folge haben könne.

Viertel der Bevölkerung auf der Flucht

Auch Alfredo Melgarejo, seit Dezember für das Rote Kreuz in Damaskus zuständig, mahnt zur Vorsicht: „Wenn im Zusammenhang mit einem Angriff giftiges Gas austritt, kann das viele Ursachen haben, vom unbeabsichtigten Treffer auf eine chemische Anlage bis zum bewussten Einsatz chemischer Kampfstoffe.“ Bisher habe man aus dem Umfeld des Roten Halbmonds keine Informationen bekommen, die auf einen Einsatz von Chemiewaffen schließen ließen, sagte der Österreicher gegenüber der „Presse“.

Kein Zweifel bestehe hingegen daran, dass der Konflikt weiter an Intensität gewonnen habe. Mittlerweile gebe es schon vier Millionen intern Vertriebene: „Das sind Ausmaße, die man sich kaum vorstellen kann“, sagt Melgarejo. Zusammen mit den 1,5 Millionen Menschen, die im Ausland Zuflucht suchten, ist damit bereits ein Viertel der syrischen Bevölkerung auf der Flucht.

Diesen Menschen zu helfen, wird immer schwieriger. Die meisten ausländischen Hilfslieferungen müssen über den Roten Halbmond abgewickelt werden, die einzige Organisation, die laut Melgarejo noch die Fronten überqueren könne. Der Verlauf dieser Fronten ist oft nicht klar, ebenso die Kommandostrukturen. Man braucht aber von den lokalen Befehlshabern Sicherheitsgarantien: „Man muss ja irgendwie über die Front kommen, ohne gleich erschossen zu werden.“ Trotzdem gebe es immer wieder Fälle, wo die Helfer trotz eines vereinbarten Waffenstillstands unter Feuer gerieten.

Bemühen um Rest von Normalität

Auch das einst engmaschige Gesundheitswesen sei in weiten Bereichen kollabiert: „Wo es noch funktioniert, trauen sich die Menschen oft nicht in Spitäler“, sagt Melgarejo. Die Lage in Damaskus sei von Viertel zu Viertel unterschiedlich: In einigen Gebieten im Süden sei sogar die Versorgung mit Brot eingeschränkt. In anderen Vierteln bemühen sich die Menschen um einen Rest von Alltag: „Da haben kleine Kaffeehäuser geöffnet, wo die Bevölkerung versucht, die Ausnahmesituation kurz zu vergessen.“

Zur Person

Alfredo Melgarejo ist für das Rote Kreuz in Syrien im Einsatz. Der Österreicher ist einer der wenigen ausländischen Helfer. Das Rote Kreuz bittet unter dem Kennwort „Syrien“ um Spenden auf das PSK- Konto 2.345.000, BLZ 60.000. [Rotes Kreuz]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2013)

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