Bulgarien: Niemand will mit Wahlsieger Borissow koalieren

Bulgarien: Niemand will mit Wahlsieger Borissow koalieren
Bulgarien: Niemand will mit Wahlsieger Borissow koalieren(c) EPA (ANGEL DIAZ)
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Der bulgarische Premier Bojko Borissow führte seine Regierungspartei Gerb zwar erneut auf den ersten Platz. Doch er findet keine Partner. In Sofia wird nun mit Neuwahlen gerechnet.

Belgrad/Sofia. Bulgariens Parlamentswahl endete so, wie der Wahlkampf verlaufen war – im Tumult: „Mafia, Mafia“, skandierten Dutzende Demonstranten, die in der Nacht auf Montag aus Protest gegen angebliche Wahlmanipulationen das Pressezentrum in Bulgariens Hauptstadt Sofia zu stürmen versuchten. Sieger Bojko Borissow glänzte in der Wahlnacht durch Abwesenheit: Seine rechte Gerb-Partei werde nur auf das amtliche Endergebnis reagieren, so die Begründung in einer dürren Parteierklärung.

Straßenproteste gegen Armut, Korruption und überhöhte Stromrechnungen hatten Borissow im Februar vorzeitig aus dem 2009 noch per Erdrutschsieg errungenen Premieramt gezwungen. Bei dem vorgezogenen, durch einen Abhörskandal und Vorwürfe von Wahlmanipulationen überschatteten Urnengang wurde seine Gerb-Partei ihrer Favoritenrolle zwar gerecht, musste aber kräftig Federn lassen: Den Wahlsiegern droht gar der Machtverlust.

Nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen hat Gerb mit 30,7 Prozent der Stimmen knapp ein Viertel ihres Anhangs verloren – und künftig nur noch 97 von 240 Sitzen. Die oppositionellen Sozialisten (BSP) konnten mit 27,02 Prozent der Stimmen um fast zehn Prozent zulegen und die Zahl ihrer Mandate mit 86 mehr als verdoppeln. Die Partei der türkischen Minderheit DPS kam auf 10,59 Prozent und 33 Mandate. Die rechtsextreme Ataka ist dank 7,38 Prozent der Stimmen im neuen Parlament wohl mit 23 Abgeordneten vertreten. Von den Parteien des bürgerlichen Lagers, die 2009 mit einer gemeinsamen Liste noch 17 Prozent der Stimmen erzielt hatten, gelang keiner der Sprung über die Vierprozenthürde.

In Sofia wird nun mit zähen Koalitionsverhandlungen – und letztendlich mit Neuwahlen gerechnet. Am Tag nach den Wahlen waren sich die drei bisherigen Oppositionsparteien in einem Punkt einig: Niemand will mit der Siegerpartei Gerb ins Koalitionsbett steigen.

Gerb werde die Koalitionsverhandlungen sofort nach Veröffentlichung des Endergebnis aufnehmen, versicherte deren wegen Abhörvorwürfen mit Aufhebung der Immunität bedrohte Wahlkampfchef Zwetan Zwetanow: Ausgeschlossen sei nur ein Bündnis mit den Sozialisten. Als „unmöglich“ bezeichnete Ataka-Chef Volen Siderow ein Bündnis mit Gerb. Christo Biserow, Vizechef der DPS, plädierte für ein Expertenkabinett unter Führung der sozialistischen BSP. Die bisherige Regierungspartei sei „in kompletter Isolation“, triumphierte Sozialistenchef Sergej Stanischew: „Das ist das Beginn des langsamen Todes von Gerb.“ Eine Mehrheit ist jedoch auch für die BSP nicht in Sicht.

Angst vor neuen Unruhen

Ein lange Hängepartie oder gar Neuwahlen könne sich das Land kaum leisten, warnt Kolio Kolew, Direktor des „Mediana“-Instituts. Bei einer auf 32 Prozent gekletterten Jugendarbeitslosigkeit und der zunehmenden Verarmung weiter Bevölkerungskreise seien neue Unruhen nicht auszuschließen: „Bei der geringsten Erhöhung der Strompreise werden die Leute wieder auf die Straße gehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)

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