Bulgarien: Ein Kabinett von "Atakas" Gnaden

Premier Plamen Orescharski
Premier Plamen Orescharski(c) REUTERS (STRINGER)
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Der von den Sozialisten nominierte Premier Plamen Orescharski hat eine breite Regierung für Bulgarien vorgeschlagen. Doch sie braucht auch die Zustimmung der Ultranationalisten.

Sofia/Wien. Sein früherer Chef hat ihm den Seitenwechsel nicht verziehen: Iwan Kostow, einst bulgarischer Premier, hat in den vergangenen Wochen seinen Exminister Plamen Orescharski heftig kritisiert. Orescharski sei „kein Experte“, der als Premier ein Programmkabinett führen könne, ließ der rechtskonservative Politiker wissen. Doch Kostows Widerworte halfen nichts. Seine kleine Rechtspartei schaffte es bei den Wahlen Anfang Mai nicht einmal ins Parlament. Und die Sozialistische Partei wird, nachdem Expremier Bojko Borissow bei der Partnersuche versagt hat, das Kabinett anführen – mit „ihrem“ Orescharski an der Spitze.

Gestern stellte er seine Regierungsmannschaft vor, die seinen Worten zufolge nichts Geringeres als „die Funktionsweise der Macht“ ändern wolle. Ob dies seinem personell breit aufgestellten Kabinett gelingen wird, ist allerdings fraglich. Die Mannschaft liest sich wie ein großer Kompromiss: Vertreter von Sozialisten (der bisherige EU-Parlamentarier Christian Wigenin, 37, soll Außenminister werden) und Türkenpartei finden sich neben Besetzungen, die versöhnliche Signale an die politischen Kontrahenten aussenden sollen: Als Innenminister wurde etwa Zwetlin Jowtschew, Ex-Kabinettschef von Präsident Rossen Plewneliew, nominiert. Doch ob das Parlament die Regierungsarbeit gutheißt, hängt von den Ultranationalisten von Ataka ab, denn BSP und DPS kommen auf nur 120 der 240 Sitze in der Nationalversammlung.

Orescharski, ein Mann mit kantigen Gesichtszügen und auffälliger weißer Haarsträhne, versucht sich in der Öffentlichkeit als parteiloser Experte zu positionieren. „Parteiwechselnd“ wäre treffender. Er hat ein Gastspiel bei den Rechten hinter sich: In Kostows Kabinett der Vereinigung der demokratischen Kräfte (SDS) war er von 1997 bis 2001 als Vizefinanzminister unter anderem für die Bindung des Lew an die D-Mark verantwortlich. Dann folgte der Schwenk: Von 2005 bis 2009 war Orescharski Finanzminister in einer von den Sozialisten angeführten Koalition; nach der Übernahme Borissows nahm er im Parlament Platz – auf einem Sitz der roten Fraktion.

Als „Pragmatiker“ und „sozialen Finanzfachmann“ bezeichnen ihn die Medien. Zunächst muss Orescharskis Regierung am heutigen Dienstag die Zustimmung des Parlaments finden – auch mit den Stimmen von Ataka.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2013)

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