Wie die Waffen schon jetzt zu Syriens Kriegsparteien gelangen

Waffen Syriens
Waffen Syriens(c) REUTERS (STRINGER)
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Der Iran unterstützt das syrische Regime, Katar und Saudiarabien die Aufständischen. Und reiche Privatleute finanzieren ihre „Lieblingsrebellenbrigaden“ aus dem Dunstkreis der Extremisten.

Nun haben Frankreich und Großbritannien ihren Freifahrtschein. Seit Anfang dieses Jahres hatten beide Länder Druck auf die EU ausgeübt, das Waffenembargo gegen Syrien aufzuheben. „Wir wissen, wie man Waffen in die richtigen Hände bringt“, behauptete der französische Präsident François Hollande. Aber genau das haben einige EU-Mitglieder angezweifelt und nicht zu Unrecht. Von November 2012 bis Februar 2013 sind 3000 Tonnen Waffen aus Kroatien über Jordanien nach Syrien geliefert worden. Saudiarabien hat bezahlt, türkische und jordanische Flugzeuge haben den Transport übernommen, und bei der Verteilung an die Rebellen soll der britische Geheimdienst die Hauptrolle gespielt haben.

Mit der neuen Bewaffnung erzielten einige Brigaden rund um Daraa, einer Grenzstadt zu Jordanien, Erfolge. Aber schon nach wenigen Wochen passierte genau das, was man verhindern wollte: Die Waffen landeten in den Händen radikaler Islamisten. In Internetvideos konnte man zuerst die Kämpfer von Ahrar al-Sham mit den neuen Granatwerfern beobachten, danach auch ihre Partner von Jabat al-Nusra, einem Ableger von al-Qaida im Irak. „Natürlich teilen andere Gruppen ihre Waffen mit uns“, versicherte Ali Ankir, Sprecher von Ahrar al-Sham. „Wir kämpfen auch gemeinsam.“

Frankreich und Großbritannien denken nicht sofort daran, Waffen zu liefern, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Beide Länder werden mit dem Obersten Militärrat der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) unter der Leitung von Salim Idris zusammenarbeiten. Dieser Militärrat gilt als Vertretung moderater Kräfte in Syrien. Seine Strukturen und Reichweite sind aber begrenzt. Salim Idris arbeitet nur mit einem Bruchteil der Rebellenbrigaden zusammen.

Mit Geldkoffern in Antakya

Die Zahl der Waffen, die der Rat seit seiner Gründung im Dezember vergangenen Jahres an seine Verbündete geschickt hat, ist minimal. Von vielen lokalen FSA-Kommandeuren wurde sie als „absolut lächerlich“ bezeichnet. Alle syrischen Rebellenbrigaden haben ein eigenes System von Sponsoren und Waffenlieferanten aufgebaut. Keine von ihnen wird das so schnell aufgeben, um ihre Autarkie nicht zu verlieren. Es ist ein vollkommen zersplittertes System, das sich durch viele Einzelakteure auszeichnet.

Das kleine Golfemirat Katar unterstützt die Muslimbruderschaft und extreme Islamistengruppen. Saudiarabien hält es mit den eher moderaten Kräften. In den Hotels von Antakya, einer türkischen Stadt in Grenznähe zu Syrien, sollen Vertreter aus den Golfstaaten mit Koffern voll Geld abgestiegen sein. Die Waffen wurden oft unter der Obhut des türkischen Militärs und Geheimdienstes nach Syrien geschmuggelt.

Neben den offiziellen Staaten gibt es wohlhabende Privatleute, die ihre „Lieblingsbrigaden“ unterstützen und in Internetvideos begutachten, was mit ihrem Geld angestellt wurde. Dieses Privatsystem ist eine unberechenbare Gefahr. Jabhat al-Nusra und andere radikale Kräfte bekommen so die Millionen, die sie brauchen, um Tausende von Männern unter Waffen zu halten. Ihr Nachschub kommt zum größten Teil aus dem Irak, der nach dem Abzug der US-Truppen zu einem frei zugänglichen Waffenbasar wurde. Jabhat al-Nusra kontrolliert die Verbindungsstraße von Aleppo bis an die irakische Grenze.

Über Jordanien war der Waffenschmuggel bisher schwierig. Das funktionierte nur in Absprache mit Jordaniens Behörden. Wie etwa im Fall der kroatischen Waffenlieferungen, an denen Saudiarabien, die Türkei und Großbritannien beteiligt waren.

Libanons durchlässige Grenze

Eine weitaus porösere Grenze ist die des Libanon. Von dort kamen nicht nur Waffen, sondern auch viele Kämpfer, meist extreme Islamisten aus dem Libanon, aber auch aus dem Rest der Welt. Diese Route wird zum Erliegen kommen, sollte die syrische Armee mit ihrem Vormarsch in al-Qusair weiter Erfolg haben. Die Kleinstadt liegt nur zehn Kilometer von der Grenze entfernt. Wer dieses Gebiet kontrolliert, kontrolliert auch den Schmuggel durch dort vorhandene Höhlen.

Die schiitische Hisbollah hat kein Nachschubproblem. Ihre Waffenkonvois aus dem Libanon werden von Syriens Armee in Empfang genommen und mit Geleitschutz bis an ihren Bestimmungsort gelotst. Der Iran, wichtigster Waffenlieferant des Regimes in Damaskus, versorgt die Regierungstruppen über eine Luftbrücke. Die iranischen Maschinen fliegen durch irakischen Luftraum, wobei Bagdad gleich beide Augen zudrückt. Nur zweimal wurden Flugzeuge aus dem Iran zur Inspektion zur Landung gebeten. Gefunden wurde, außer humanitärer Hilfe, nichts. Der Irak verfügt über keine Luftwaffe, die Flugzeuge zur Landung zwingen könnte.

Auf einen Blick

Versorgungsrouten der Rebellen. Die einzelnen Brigaden der Aufständischen haben ihr jeweils eigenes System von Sponsoren und Waffenlieferanten aufgebaut. Das Gerät kommt über die Türkei, Jordanien, den Libanon oder den Irak ins Land. Die Grenze zum Libanon ist am durchlässigsten. Diese Route wird aber zum Erliegen kommen, sollte die Grenzstadt al-Qusair wieder in die Hände des Regimes fallen.

Versorgungsrouten des Regimes. Das syrische Regime erhält seinen militärischen Nachschub zum Großteil aus dem Iran. Er wird vor allem über den Luftweg angeliefert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2013)

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