''Erdogan, du kannst nicht deine Leute niederknüppeln"

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Die Türkei halte für die EU-Mitgliedschaft nötige "demokratische Standards", nicht ein, sagt EU-Parlamentspräsident Schulz. Die Proteste gehen weiter - und fordern ein zweites Todesopfer.

Die Protestwelle in der Türkei reißt nicht ab. Wegen des teils brutalen Vorgehens der Polizei gegen Demonstranten hat sich am Dienstag EU-Parlamentspräsident Martin Schulz eingeschaltet - und scharfe Kritik an Premier Recep Erdogan geübt: "Um Mitglied der EU zu werden, muss man demokratische Standards einhalten. Wir sehen: Dazu ist er in ganz bestimmten Momenten nicht bereit", sagte der deutsche Sozialdemokrat am Dienstag in der ARD in Richtung des türkischen Regierungschefs.

Schulz forderte eine klare Position der europäischen Staatengemeinschaft: "Wir müssen einfach auf die Regierung aus Europa den Druck aufrechterhalten zu sagen: Wenn Du mit uns verhandeln willst, wenn Du zu dieser demokratischen Staatengemeinschaft gehören willst, dann kannst Du nicht Deine Demonstranten niederknüppeln." Die Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei waren jahrelang festgefahren. Im Juni soll aber erstmals ein neues Kapitel über die Beitrittsverhandlungen eröffnet werden.

Zweites Todesopfer

Die regierungskritischen Proteste in der Türkei haben indes ein zweites Todesopfer gefordert: Einem Fernsehbericht zufolge wurde ein 22-Jähriger getötet. Der Mann sei bei einer Demonstration im Süden des Landes von einem Unbekannten angeschossen worden und im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen, berichtete der private Sender NTV in der Nacht zum Dienstag unter Berufung auf die Behörden der Provinz Hatay. Bisher war bei den Protesten ein Mann in Istanbul ums Leben gekommen, der bei einer Blockadeaktion von einem Auto überfahren wurde.

In der Türkei gibt es seit Tagen heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei. Auslöser war die gewaltsame Auflösung von Protesten gegen den Bau eines Einkaufszentrums im beliebten Gezi-Park am Taksim-Platz in Istanbul am Freitag. Die Proteste richten sich inzwischen aber verstärkt gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan - und sie dürften sich noch ausweiten: Auch die Gewerkschaften mischen nun mit. Für Dienstag ab 10 Uhr (MESZ) kündigte die linksgerichtete Gewerkschaft öffentlicher Bediensteter (KESK) den Beginn eines zweitägigen Warnstreiks ihrer 240.000 Mitglieder an.

Der türkische Vize-Premier Bulent Arinc äußerte am Dienstag sein Bedauern über das harte Vorgehen der Polizei: "Ich entschuldige mich bei denen, die Opfer von Gewalt geworden sind, weil sie sich für die Umwelt einsetzen", sagte Arinc in Ankara. Zugleich rief er die Demonstranten aber auf, ihre Proteste umgehend einzustellen.

Gummigeschosse eingesetzt

Auch in der Nacht auf Dienstag hatte die türkische Polizei in Istanbul und in der Hauptstadt Ankara Tränengas und Wasserwerfer gegen regierungskritische Demonstranten eingesetzt. Nach Angaben von Augenzeugen und dem Fernsehsender CNN-Türk gingen Beamte in beiden Städten gegen hunderte Protestierende vor. Aus deren Reihen wurden demnach Steine auf Polizisten geworfen.

In Ankara setzte die Polizei CNN-Türk zufolge im Stadtteil Kavaklidere auch Gummigeschosse gegen Protestierende ein. Im europäischen Teil von Istanbul errichteten demnach Demonstranten im Viertel Gümüssuyu Barrikaden und entzündeten Feuer.

(APA/AFP)

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