Türkei-Proteste: Erdogan sieht "Terroristen" am Werk

TuerkeiProteste Erdogan ortet Terroristen
TuerkeiProteste Erdogan ortet Terroristen(c) Reuters
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Der Premier gibt sich unnachgiebig. An den Plänen für die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul hält er fest. Während der Proteste stürzt ein Polizist in den Tod.

Ungeachtet der schweren Proteste hält der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an einem heftig umstrittenen Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park fest. Zugleich erhob er gegen einige Teilnehmer Terrorismusvorwürfe und kündigte ein hartes Vorgehen an. "Unter den Demonstranten sind Extremisten, einige sind in den Terrorismus verwickelt", sagte Erdogan am Donnerstag in Tunis vor seiner mit Spannung erwarteten Heimkehr. Laut einem Fernsehsender kam ein Polizist im Zusammenhang mit den Protesten ums Leben.

In seiner ins Arabische übersetzten Rede sagte Erdogan, an den Protesten in Istanbul hätten Unterstützer einer "Terrororganisation" teilgenommen, die sich zu einem Anschlag auf die US-Botschaft im Februar in Ankara bekannt hatte. Bei dem Selbstmordanschlag auf die US-Vertretung war Anfang Februar ein Wachmann getötet worden. Die linksextreme Gruppe Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKP-C) übernahm später die Verantwortung für das Attentat.

Einer zentralen Forderung der Demonstranten, dem Stopp eines Bauvorhabens in Istanbul, erteilte Erdogan eine Absage: Seine Regierung werde die Umgestaltung des Gezi-Parks in der Metropole "zu Ende bringen", sagte Erdogan. Es werde nicht länger hingenommen, dass eine Minderheit die Mehrheit "tyrannisiert". Die landesweite Protestwelle hatte sich am vergangenen Freitag am Gewalteinsatz gegen eine kleine Zahl von Parkschützern entzündet.

Der Nachrichtensender NTV berichtete am Donnerstag, ein türkischer Polizist sei am Mittwoch Verletzungen erlegen, die er sich während der regierungskritischen Proteste zugezogen hatte. Der Polizist war demnach in der Provinz Adana im Süden des Landes von einer im Bau befindlichen Brücke gestürzt, als er Protestteilnehmer verfolgte. Der Beamte ist der erste Polizist, der im Zusammenhang mit den Protesten zu Tode kam, davor hatte es aber bereits zwei weitere Todesfälle gegeben. Laut dem türkischen Ärztebund wurden bei den Protesten über 4.000 Menschen verletzt. Vier Menschen seien in einem kritischen Zustand, acht weitere würden auf Intensivstationen behandelt, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi.

Sieben Ausländer festgenommen

Bei den Protesten wurden nach Angaben von Innenminister Muammer Güler sieben Ausländer festgenommen. Darunter sei ein Deutscher, zitierte Anadolu Ajansi den Minister am Donnerstag in Ankara. Die weiteren seien ein Franzose, ein Grieche, zwei aus den Vereinigten Staaten und ein Bürger des Iran. Die Zeitung "Zaman" meldete, bei den Ausländern seien Gaskartuschen und Feuerwerkskörper gefunden worden. Einige hätten Diplomatenpässe. Die islamistische Zeitung "Yeni Akit" präsentierte ihren Lesern den Fall auf der ersten Seite als Beleg für einen versuchten Anschlag und die Einmischung des Auslands.

Die Polizei setzte in der Hauptstadt Ankara in der Nacht auf Donnerstag erneut Tränengas gegen Demonstranten ein. In der Stadt Rize am Schwarzen Meer kam es zudem zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der AKP.

Erdogan wurde am Donnerstagabend von seiner Auslandsreise zurück in der Türkei erwartet. Noch am Dienstag hatte Erdogan während seiner Visite in Nordafrika versichert, der Protest werde bis zu seiner Rückkehr abebben. Erdogans Stellvertreter, Huseyin Celik, bat am Donnerstag im Regionalfernsehen Anhänger der Regierungspartei AKP, von einem Empfang des Regierungschefs am Flughafen abzusehen. "Der Premierminister braucht keine Machtdemonstration", sagte Celik.

Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk bewertete die Proteste in Istanbul positiv. "Doch es erfüllt mich mit Hoffnung und Vertrauen, wenn die Menschen von Istanbul weder auf ihr Recht, politische Demonstrationen auf dem Taksim-Platz abzuhalten, noch auf ihre Erinnerung verzichten", schrieb Pamuk in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Der Regierung Erdogan warf er "rücksichtloses Verhalten" vor.

(Red./APA/AFP)

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