Türkei: Fußballfans unterstützen Anti-Erdogan-Proteste

Ein Bild aus dem Berzik Gazi in Istanbul in der Nacht auf Sonntag.
Ein Bild aus dem Berzik Gazi in Istanbul in der Nacht auf Sonntag.(c) EPA
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Die konservative AKP hat Neuwahlen ausgeschlossen und zwei Gegendemonstrationen angekündigt. Die Polizei-Gewerkschaft berichtet von sechs Polizisten-Selbsmorden.

Die Massenproteste gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan haben auch am Wochenende unvermindert angehalten. In Istanbul und Ankara ging die Polizei erneut mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Tausende Fans der drei großen Fußballklubs der Metropole schlossen sich den Forderungen nach einem Rücktritt Erdogans an.

Kritik kommt mittlerweile auch von der Polizeigewerkschaft: Sechs Polizisten sollen sich aufgrund der durch die Proteste verschärften Arbeitsbedingungen bereits das Leben genommen haben, wie die Gewerkschaft Emniyet-Sen berichtete. Die Beamten seien zu 120 Stunden langen Dauereinsätzen auf den Straßen gezwungen worden. Nun will Emniyet-Sen gerichtlich gegen die Führungsebene der Polizei vorgehen.

"Tayyip tritt zurück" und "Arm in Arm gegen den Faschismus", skandierten die im Protest vereinten Fußballfans auf dem zentralen Taksim-Platz am Samstagabend. Seit Tagen übernachten dort Erdogan-Gegner in Zelten, demolierten Bussen oder unter freiem Himmel. Sie haben Dutzende Barrikaden aus herausgerissenen Straßensteinen, Schildern und Autos errichtet. Am Samstag kamen mehr Demonstranten als je zuvor. "Sollen sie uns doch angreifen, sie können uns nicht stoppen" rief ein Anhänger der Kommunistischen Partei über Lautsprecher von einem Transporter. In Ankara ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Diese entzündeten Feuer in den Straßen und versuchten, Barrikaden zu errichten.

Regierung lernt Neuwahlen ab

Die Regierungspartei AKP lehnte die Forderung nach vorgezogenen Wahlen klar ab: "Die Regierung funktioniert wie ein Uhrwerk", sagte Vize-Parteichef Huseyin Celik. "Die Präsidentschaftswahlen finden im August 2014 und die Parlamentswahlen im Juni 2015 statt", so Celik nach einem Treffen des Parteipräsidiums. Premier Erdogan rief am Sonntag stattdessen seine Anhänger auf, den Demonstranten bei den Kommunalwahlen im März 2014 "eine Lektion" zu erteilen. Die Demonstranten bezeichnete er bei seiner Rede im südtürkischen Adana erneut als "Vandalen". In der Nacht zuvor war es in der Stadt zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des Regierungschefs.

Bereits am Freitag hatte er erneut ein sofortiges Ende der Proteste gefordert und erklärt an den Umbauplänen des Gezi-Parks festzuhalten. Diese waren vergangenen Freitag Auslöser der schwersten Unruhen in der Türkei seit Jahrzehnten. Bei den Protesten wurden Rettungskräften zufolge landesweit drei Menschen getötet und nahezu 5000 verletzt.

Für Sonntagnachmittag riefen Erdogan-Gegner zu neuen Protesten auf dem Taksim-Platz auf "Wir erwarten alle Bürger, die ihre Rechte an ihrer Stadt, ihrem Gezi-Park und alle ihre Forderungen geltend machen ", hieß es in einer Presseerklärung der Gruppe. "Wir machen weiter, bis unsere Forderungen erfüllt sind." Die konservative AKP Erdogans versucht dagegen zu halten und kündigte für das kommende Wochenende zwei große Kundgebungen in Ankara und Istanbul an.

(APA/dpa)

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