Generationswechsel im steinreichen Emirat Katar

Generationswechsel Katar
Generationswechsel Katar(c) REUTERS (FADI AL-ASSAAD)
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Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani (61) räumt den Thron für seinen frommen Sohn Tamim (33). "Die Zeit ist gekommen", erklärte er am Dienstag.

Kairo. Es ist ein spektakulärer Thron- und Generationswechsel, der sich in einem der dynamischsten Länder des Nahen Ostens vollzieht. Der Emir von Katar gibt seine Macht ab, obwohl er erst 61 Jahre alt ist. Zu seinem Nachfolger hat der Scheich seinen 33-jährigen viertgeborenen Sohn auserkoren. "Die Zeit ist gekommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte der 61-jährige Monarch am Dienstag in einer Fernsehansprache. Er wolle "die Verantwortung an die neue Generation übergeben". Und er sei sicher, dass sein Sohn für die Verantwortung "qualifiziert und vertrauenswürdig" ist.

Das winzige Land Katar beflügelt die Fantasie. Der Däumling am Persischen Golf gehört zu den treibenden Kräften gegen Syriens Diktator Bashar al-Assad, unterhält gute Beziehungen zum Iran, zu Israel und Saudiarabien, fungiert als Moderator zwischen den afghanischen Taliban und den USA und unterstützt die Herrschaft von Ägyptens Muslimbrüdern mit Milliarden. Katar zählt dank seiner enormen Gasvorkommen zu den reichsten Ländern der Welt, ist ökonomisch ein Riese, tanzt auf fast jedem diplomatischen Parkett und ist doch mit seinen 250.000 einheimischen Bewohnern demografisch ein Zwerg.

Seit 1995 an der Macht, hat Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani in den vergangenen 18 Jahren mit seinem Premier Hamad bin Jassim al-Thani aus der verschlafenen Halbinsel einen ökonomischen Riesen und diplomatischen Meisterjongleur gemacht. Auch der Rücktritt des Premiers wurde am Dienstag erwartet. Der Emir äußerte sich dazu nicht.

Gastgeberland der Fußball-WM 2022

1996 hob Hamad bin Khalifa al-Thani nach Vorbild der BBC den Nachrichtensender al-Jazeera aus der Taufe. Seit 1998 beherbergt der Wüstenstaat das Hauptquartier der US-Truppen in Nahost. Die Hauptstadt Doha stieg zum internationalen Gastgeber auf, nicht nur für die Welthandelsrunde, auch für die arabische Liga, den Golf-Kooperationsrat und die Opec. 2022 wird hier zum ersten Mal die Fußball-WM in einem arabischen Land ausgetragen.

Wenn nun der 61-jährige Schöpfer des modernen Katar die Macht an seinen 33-jährigen, viertgeborenen Sohn Tamim bin Hamad weitergibt, wird es deshalb kaum mehr Demokratie geben. Katar hat weder ein Parlament noch Parteien, weder eine Zivilgesellschaft noch eine unabhängige Justiz. Kritische Blogger sind den Mächtigen ein Dorn im Auge. Das Buch „Auch das Volk von Katar will Reformen“ des Intellektuellen Ali Khalifa al-Kuwari wurde verboten. Der Poet Mohammed al-Ajami erhielt wegen eines angeblichen „Aufrufs zum Umsturz“ lebenslange Haft. Inzwischen wurde die Strafe vom scheidenden Emir, der über seinen Fernsehsender al-Jazeera anderen Staaten gern Demokratie predigen lässt, auf 15 Jahre reduziert.

Machtkampf im Herrscherclan

Der bisherige Herrscher ist bei schlechter Gesundheit und hat wohl auch die internen Rangeleien in seinem über tausendköpfigen Herrscherclan satt. „Die einen feiern zu viel, die anderen beten zu viel“, beschreibt ein Beobachter den internen Zwist. Thronerbe Tamim stammt aus dem frommen Flügel, steht den Muslimbrüdern nahe und wurde an der britischen Militärakademie Sandhurst ausgebildet. Er übernimmt das Kommando in rauen Zeiten, denn unter den Untertanen wächst Unruhe über den Kurs des kleinen Landes. Immer mehr fürchten, dass Katars feudale Häupter längst in einer zu hohen diplomatischen Gewichtsklasse boxen. „Was haben uns die Milliarden an Waffenhilfe in Syrien gebracht?“, zitiert der britische „Economist“ ein katarisches Regierungsmitglied. „Wir haben Assad nicht gestürzt, aber vier Millionen Menschen obdachlos gemacht.“

(Martin Gehlen/APA/AFP/Reuters)

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