"Präsidialer Putsch": Zeman will Expertenregierung durchdrücken

Rusnok neuen tschechischen Premier
Rusnok neuen tschechischen Premier
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Gegen den Willen des Parlaments ernennt Tschechiens Präsident Zeman seinen Exberater Rusnok zum Premier.

[PRAG] Tschechiens Präsident Miloš Zeman hat am Dienstag seinen Wirtschaftsberater Jiří Rusnok (52) zum neuen Regierungschef berufen. Rusnok, einst Finanzminister in einer von Zeman geführten Regierung, soll ein Kabinett aus Experten bilden. Er löst Petr Nečas als Premier ab, der über eine Korruptions- und Spitzelaffäre gestürzt ist. Zeman setzte sich mit seiner Entscheidung darüber hinweg, dass es im Abgeordnetenhaus eine regierungsfähige Mehrheit gibt. Die Spitzen der Mitte-rechts-Regierung haben den Präsidenten eine Stunde vor dessen Entscheidung informiert, dass sie ihre Regierung unter einer neuen Premierministerin, Miroslava Němcová, fortsetzen wollen. Das Schreiben trägt die Unterschrift von 101 der 200 Mitglieder des Abgeordnetenhauses.

Zemans Entscheidung kommt nicht überraschend. Er hat sie schon am Wochenende in einem Radiointerview angedeutet: Er sei es seinen linken Wählern schuldig, der ungeliebten Mitte-rechts-Regierung ein Ende zu setzen. Ein bloßes Ersetzen des mutmaßlich in die Spitzelaffäre verwickelten Ex-Premiers Nečas durch Parlamentspräsidentin Němcová würde dieser Regierung das Überleben sichern. Die oppositionellen Sozialdemokraten seien nicht bereit, die Regierung sofort zu übernehmen. Angesichts dessen sei eine Expertenregierung der einzige Ausweg, sagte der Präsident.

Lücken in der Verfassung


Freilich stellt sich Zeman damit nicht nur gegen das bisherige Regierungslager, sondern nahezu das komplette Abgeordnetenhaus und riskiert einen in Tschechien bisher ungekannten Machtkampf. Für den fühlt sich der Präsident gerüstet. Seit Wochen behauptet er, sein Direktmandat vom Volk gebe ihm automatisch größere Vollmachten als seinen Vorgängern. Dem ist laut Verfassung allerdings keineswegs so.
Es sind aber Lücken in der Verfassung, die Zeman jetzt ausnützt. Völlig paradox dabei: Selbst wenn das Parlament seine Expertenregierung ablehnen sollte, was beschlossene Sache ist, kann diese weiter regieren. Zeman muss zwar eine andere Person mit der Regierungsbildung beauftragen, wenn sein erster Kandidat scheitert. Die Verfassung setzt ihm dafür aber keine Frist. Im Klartext könnte Zemans Expertenkabinett damit bis zu den nächsten Wahlen regieren - und für Zeman wichtige Entscheidungen treffen. So könnte Zeman seine Vorstellungen über die Neubesetzung von Botschafterposten durchdrücken. Es geht ihm vor allem um die Frau des Ex-Präsidenten Václav Klaus, die er gern in der Slowakei als Botschafterin sehen würde - als Dankeschön für die Unterstützung, die er im Wahlkampf von der Familie Klaus erhalten hat. Bisher wird eine Botschafterin Livia Klausova von Außenminister Karel Schwarzenberg blockiert.

Lukrativer Auftrag für Temelín-Ausbau

Die Regierung könnte sich auch anderen Lieblingsfeldern Zemans widmen. Der Präsident will die Mindestlöhne erhöht sehen und möchte einem tschechisch-russischen Konsortium den lukrativen Auftrag zum Ausbau des umstrittenen Atomkraftwerks Temelín zuschanzen. Laut Verfassung darf eine nicht bestätigte Regierung keine „strategischen" Entscheidungen treffen; aber die Verfassung sagt nicht, was „strategische" Entscheidungen sind. Faktum ist, dass dazu aber der Haushalt für das kommende Jahr gehört. Wie das Land ohne einen Haushalt leben soll, ist unklar. Die jetzige Regierung hat angekündigt, einen Etatentwurf der „Zeman-Regierung" abzulehnen.

Das Parlament kann Zemans Alleingang nur eines entgegensetzen: Es muss sich selbst auflösen und so Wahlen erzwingen. Dazu braucht es aber eine Drei-Fünftel-Mehrheit, die derzeit nicht sicher ist. Die Kritiker des Präsidenten und fast die gesamte Presse sind sich einig: Zeman vollführt im Grunde einen Putsch, wenn er den Alleingang gegen das Parlament sucht. Dass die Abgeordneten vom Präsidenten „regelrecht ausgetrickst werden", wie ein Kommentator bemerkt hat, ist neu in der noch jungen tschechischen parlamentarischen Demokratie.

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