Frust über Karsai: Obama prüft vollständigen US-Abzug aus Afghanistan

U.S. soldiers attend a naturalization ceremony while celebrating Fourth of July at Bagram airbase, north of Kabul
U.S. soldiers attend a naturalization ceremony while celebrating Fourth of July at Bagram airbase, north of KabulREUTERS
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Der US-Präsident erwägt einen rascheren Truppenrückzug. Spätestens im Dezember 2014 sollen die letzten US-Soldaten Afghanistan verlassen - möglicherweise ohne ein Notfall-Kontingent zu hinterlassen.

Aus Ärger über die Politik des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai erwägen die USA nach Angaben aus US-Regierungskreisen den vollständigen Abzug ihrer Truppen vom Hindukusch. US-Präsident Barack Obama und Karzai hätten ihre Differenzen in einer eigens dazu anberaumten Videokonferenz Ende Juni nicht beigelegt, berichtete die "New York Times" am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise. Seither werde der Komplett-Abzug nicht mehr nur für ein Katastrophen-Szenario erwogen, sondern von beiden Regierungen ernsthaft geprüft.

Obama und Karzai ringen seit langem erfolglos um ein Truppenstatut, unter dem die USA auch nach dem Abschluss des Kampfeinsatzes Ende 2014 etwa 8000 Soldaten am Hindukusch lassen wollen. Karzai hatte die Verhandlungen im Juni verärgert ausgesetzt, nachdem die USA offene Friedensverhandlungen mit den radikal-islamischen Taliban angekündigt hatten. Ohne die Militärmaschinerie der USA, die das Rückgrat des internationalen Afghanistan-Einsatzes ist, müssten auch Deutschland und die übrigen ausländischen Staaten ihre Truppen vom Hindukusch abziehen. Die Bundeswehr hat bereits mehrere Feldlager geschlossen, will aber 600 bis 800 Soldaten auch nach 2014 im Land lassen, um die afghanischen Sicherheitskräfte weiter auszubilden und zu beraten.

Leere Drohungen

In afghanischen Regierungskreisen wurden die Aussagen aus Washington als leere Drohungen interpretiert. "Beide Seiten verstehen, einander unter Druck zu setzen", hieß es am Dienstag in Kabul. "Aber sowohl die USA als auch Afghanistan sind sich völlig darüber im klaren, dass die Präsenz der ausländischen Truppen - besonders der amerikanischen - auch nach 2014 entscheidend für die Sicherheit hier und in der ganzen Region ist". Die USA würden dies nicht aufs Spiel setzen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass das Land sonst ins Chaos abgleite, erinnerte der Regierungsvertreter an den Bürgerkrieg, der nach dem Abzug der Sowjettruppen 1989 in Afghanistan ausbrach und schließlich die Taliban an die Macht spülte.

Allerdings wollten die USA auch im Irak nach dem Ende des Krieges Truppen stationiert lassen. Die Verhandlungen mit der irakischen Regierung scheiterten damals, die USA zogen als Konsequenz sämtliche Soldaten ab. Die USA haben momentan noch 63.000 Soldaten am Hindukusch stationiert.

(Apa/Reuters)

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