Syrien: Keine Spur von entführten Erzbischöfen

Jordanian Christians light candles during a mass at the Syriac Orthodox Church in Amman
Jordanian Christians light candles during a mass at the Syriac Orthodox Church in AmmanREUTERS
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Bereits im April wurden Mar Gregorios Yohanna Ibrahim, und Boulous Yazigi von Bewaffneten im Norden Syriens verschleppt. Seither fehlt von den beiden Geistlichen jedes Lebenszeichen.

Die Nachricht verbreitete sich in der syrisch-orthodoxen Kirche in Aleppo wie ein Lauffeuer: Die Entführung ist beendet, der Erzbischof ist am Leben. Die Mitglieder der Gemeinde warteten im Kirchengebäude und im Kloster der Stadt darauf, dass der Metropolit wohlbehalten zur Tür hereinkommt. Doch sie warteten vergebens. Die Meldung von der Freilassung ihres geistlichen Oberhauptes erwies sich als falsch. Mar Gregorios Yohanna Ibrahim blieb verschwunden.

Es ist hundert Tage her, dass der Geistliche gemeinsam mit dem griechisch-orthodoxen Erzbischof, Boulous Yazigi, im Norden Syriens verschleppt worden ist. Bewaffnete hatten den Wagen der beiden gestoppt, der auf dem Weg von der türkischen Grenze nach Aleppo gewesen war. Der Fahrer wurde umgebracht. Von den beiden Erzbischöfen fehlt seither jede Spur.

Es gibt nichts – außer Gerüchte und offene Fragen: Wo sind sie, wer hält sie fest, und warum? Diese Fragen nähren verschiedenste Vermutungen: Die beiden könnten tatsächlich am 23.April von ihren Kidnappern freigelassen, dann aber von einer anderen Gruppe gefangen genommen worden sein – von Rebellen, Banditen oder möglicherweise sogar von Kräften, die dem syrischen Regime nahestehen. Oder: Die beiden befinden sich seit Beginn der Entführung in den Händen von Jihadisten aus dem Kaukasus. Doch Klarheit gibt es nicht. Von Forderungen nach Lösegeld oder anderen Forderungen wurde bisher nichts bekannt.

Enthauptung auf Video

Mit der Eskalation des Krieges wuchs auch die Zahl jihadistischer Gruppen, die in Syrien aktiv sind. In dem Land kämpfen „Freiwillige“ aus den Golfstaaten und dem Kaukasus. Auch die Gruppe „Islamischer Staat im Irak und der Levante“, ein al-Qaida-Ableger, treibt hier ihr Unwesen. Das syrische Baath-Regime ist säkular ausgerichtet. Machthaber Bashar al-Assad und ein Teil seiner Führungsclique gehören zudem zur religiösen Minderheit der Alawiten: Grund genug für sunnitische Extremisten, den Konflikt in Syrien als Austragungsort für ihren „heiligen Krieg“ zu missbrauchen. Ins Visier geraten dabei nicht nur Regimetruppen oder Alawiten, sondern auch Angehörige der christlichen Minderheit. So tauchte zuletzt ein Video auf, das die Enthauptung christlicher Geistlicher durch Jihadisten zeigt, die offenbar nicht aus Syrien stammten.

Sehr oft haben Entführungen von Christen und auch muslimischen Syrern einen kriminellen Hintergrund: Das syrische Chaos ist der perfekte Nährboden für Banden, die mit Menschenraub und anderen Verbrechen ihre Kassen auffüllen wollen.

Am Dienstag tauchte dann die Meldung auf, ein weiterer Geistlicher könnte verschleppt worden sein: der italienische Jesuitenpater Paolo Dall'Oglio, der lange in Syrien tätig war. Bestätigt konnte das zunächst aber nicht werden. Dall'Oglio hatte immer wieder das Territorium der Rebellen besucht, mit denen er aber ein gutes Einvernehmen gehabt haben soll.

„Keine Rechtfertigung für Töten“

Nur Monate vor seiner Entführung hatte Metropolit Yohanna Ibrahim Wien besucht: Er klagte damals, dass Aleppo eine „tote Stadt“ geworden sei. Er gebe nicht nur einer, sondern allen Seiten Schuld an dem Konflikt in Syrien, sagte er. „Töten ist töten und kann nicht gerechtfertigt werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2013)

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