Italiens Schicksal in Händen eines Angeklagten

Italiens Schicksal Haenden eines
Italiens Schicksal Haenden eines(c) REUTERS (REMO CASILLI)
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Das Urteil gegen den Expremier und heutigen Senator Silvio Berlusconi wird weitreichende Konsequenzen für die Regierung Letta – und die gesamte Eurozone – haben.

Wien/Rom. Auf die Verkündung des Spruchs, der sein Leben verändern könnte, wartete Silvio Berlusconi (76) hinter fest verschlossenen Türen. Seit Tagen hat sich der Expremier in seiner römischen Luxusresidenz, dem Palazzo Grazioli, verschanzt. Nur wenige, enge Vertraute wurden zum Medienmagnaten vorgelassen, dem am Donnerstag zum ersten Mal in seiner jahrzehntelangen Prozesskarriere eine rechtmäßige Verurteilung drohte – wegen Steuerbetrugs.

Die fünf Richter mussten entscheiden, ob die im Mai verhängte Haftstrafe sowie das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter für Senator Berlusconi rechtmäßig seien. Dem Medienmagnaten wurde vorgeworfen, in fingierte Verkäufe von TV-Rechten durch seinen Mediaset-Konzern Anfang der 1990er-Jahre verwickelt gewesen zu sein. Durch ein ausgetrickstes System sollen Berlusconis Manager damals den Fiskus betrogen haben.

Italiens Rekord-Schuldenberg

Konsequenzen könnte das Urteil vor allem für die italienische Regierung haben. Berlusconis Anhänger hatten bei einer Verurteilung bereits Massenproteste gegen die „politisierte Justiz“ angekündigt und wollten dann geschlossen das Parlament verlassen. Die Ende April nur mit Müh und Not zusammengeflickte „Große Koalition“ unter dem Sozialdemokraten Enrico Letta könnte an der Kippe stehen: Berlusconis „Volk der Freiheit“ hatte verlangt, dass der Regierungspartner eine mögliche Verurteilung für ungültig erklärt. Doch Premier Letta erklärte stets seine Unterstützung für die Justiz.

Eine Regierungskrise kann sich Italien – und der Euroraum – derzeit nicht leisten. Eigentlich bräuchte die tief verschuldete drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone jetzt eine stabile Führung, um ihre stagnierende Wirtschaft anzukurbeln und das Budget zu sanieren. Neben weiteren Sparmaßnahmen sind Strukturreformen nötig – etwa Kürzungen bei Pensionen oder Liberalisierungen des verkrusteten Arbeitsmarktes. Bisher blieben die notwendigen Reformen auf der Strecke. Alarmierendes Zeichen dafür ist, dass die Gesamtverschuldung mit fast 130Prozent des BIPs Rekordhöhe erreichte.

Doch vor allem wird das Urteil persönliche Konsequenzen für jenen Mann haben, der seit Anfang der 1980er Italien prägt. Berlusconi begann ganz unten – als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. Ende der 1970er-Jahre kam der Jurist dann im boomenden Mailand zum großen Geld: Erst als Bauunternehmer, dann als Medienmagnat. Es war Berlusconi, der durch sein von den USA inspiriertes Privatfernsehen das italienische TV revolutionierte. Er kaufte billige US-Serien und japanische Mangas ein, führte die notorischen Shows mit knapp bekleideten Tänzerinnen ein und bombardierte sein Publikum mit Werbespots. Das Berlusconi-TV formte eine Generation.

Der Milliardär hatte zudem gute Kontakte. Berlusconis enger Vertrauter war der langjährige Sozialistenchef und Premier Bettino Craxi. Wie sich später herausstellte, hatten Craxis Sozialisten Milliarden an Steuergeldern in ihre Taschen verschwinden lassen. Der von der Justiz verfolgte Craxi starb im goldenen Exil, in Tunesien.

Phönix aus der Asche

Als Berlusconi 1994 überraschend in die Politik einstieg, kannte ihn jeder. Seine Partei Forza Italia schaffte einen Erfolgscoup – und formte mit der separatistischen Lega Nord eine Regierung. Diese hielt nicht lange – Berlusconi dafür schon. In den vergangenen 20 Jahren war er vier Mal Premier. Als einziger Regierungschef seit dem Krieg überlebte er eine gesamte Legislaturperiode. Die versprochene „liberale Revolution“ brachte er aber nicht zustande. Dafür rettete er dank maßgeschneiderter Gesetze seine Unternehmen und sich selbst vor der Justiz. Vor allem aber: Berlusconi ist wie der Phönix aus der Asche. Der so oft politisch Totgesagte schaffte immer ein Comeback. Er überlebte den Bunga-Bunga-Skandal ebenso wie das wirtschaftliche Desaster, in das er Italien führte.

Italiens Schicksal Haenden eines
Italiens Schicksal Haenden eines(c) Die Presse / GK

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2013)

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