„Heuchler“ Steinmeier in Datenaffäre unter Druck

„Heuchler“ Steinmeier in Datenaffäre unter Druck
„Heuchler“ Steinmeier in Datenaffäre unter Druck(c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
  • Drucken

Der deutsche SPD-Politiker paktierte schon 2002 den Datenaustausch mit dem US-Geheimdienst: Damit nimmt die Regierung der sozialdemokratischen Kritik den Wind aus den Segeln. Zudem gehe es nur um Auslandsdaten.

Berlin/Gau. Die Grundrechte mit Füßen getreten, vor den Amerikanern in die Knie gegangen, die Bürger belogen: Mit einem Dauerfeuer an Kritik versuchten die deutschen Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen, durch die „Datenaffäre“ im Wahlkampf gegen die Regierung Merkel an Terrain zu gewinnen.

So viel steht fest: Monat für Monat saugte der US-Geheimdienst NSA Hunderte Millionen Metadaten der Telefon- und Internetkommunikation deutscher Bürger ab. Woche für Woche enthüllt der „Spiegel“ neue Details über eine intensive Zusammenarbeit des deutschen Geheimdienstes mit den amerikanischen Kollegen. Und die Regierung behauptet weiter, wenig bis nichts davon zu wissen: Das versprach, ein attraktives Wahlkampfthema zu werden.

Nun aber scheint der Schuss nach hinten loszugehen. Schon vorige Woche warnte Ex-Innenminister Otto Schily seine Partei davor, im Wahlkampf auf die Abhöraffäre zu setzen. Nun hat der Bundesnachrichtendienst (BND) enthüllt, dass seine Datenlieferungen in die USA auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 2002 zurückgehen. Der Segen für dieses „Memorandum of Agreement“ aber kam aus Berlin – von Frank-Walter Steinmeier, damals Kanzleramtschef der Regierung Schröder und heute SPD-Fraktionsvorsitzender.

„An der Nase herumgeführt“

Diese Enthüllung erlaubt der schwarzgelben Koalition, tüchtig zurückzuschießen.  „Pure Heuchelei“ und „gespielte Empörung“ wirft CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den Sozialdemokraten vor. Sein FDP-Pendant Patrick Döring analysiert: Entweder habe die SPD die Öffentlichkeit „an der Nase herumgeführt“. Oder Steinmeier habe als Einziger Bescheid gewusst und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück „ins Messer laufen lassen“. Beides wäre „ein Armutszeugnis“.

Aber auch aus der deutschen Linkspartei kommt scharfe Kritik. Steinmeier sei „der größte Heuchler in der ganzen Spionageaffäre“, urteilt Parteichefin Katja Kipling und fordert von den Sozialdemokraten einen „Offenbarungseid“.

Stattdessen lieferte deren Chef, Sigmar Gabriel, eine „Ehrenerklärung“ für Steinmeier ab: Niemals hätte dieser geduldet, dass millionenfach Grundrechte deutscher Bürger verletzt werden. Argumentation der SPD: Mit der Vereinbarung habe man 2002 die Kooperation verstärkt, um das „grauenhafte Verbrechen“ von 9/11 aufklären. Erst im Oktober 2005 startete das Spähprogramm Prism – es gehe also um verschiedene Themen.

Stimmt nicht, kontert die Union: Prism sei nur eine „technologische Weiterentwicklung der Zusammenarbeit“, die 2002 beschlossen wurde. Zugleich aber wollen BND und Regierung nun nachweisen, dass diese Zusammenarbeit viel harmloser sei als angenommen. Das Gros der Daten, die der BND übermittelt hat, soll nämlich von der Auslandsaufklärung stammen, aus Krisenstaaten wie Afghanistan. Sie seien in Bad Aibling (Bayern) nur gesammelt und den Amerikanern übergeben worden. Die Privatsphäre der Deutschen wäre also nicht betroffen.

Und die massenhafte Ausspähung deutscher Bürger? Die hat es demnach nicht gegeben. Und wenn doch, wissen darüber weiterhin alle von nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.