Palästinenser-Liste: "Das sind Mörder, die freikommen"

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Ein israelischer Ministerausschuss hat beschlossen, 26 Palästinenser freizulassen. Die Angehörigen der Opfer wollen Einspruch erheben. Nur Stunden zuvor wurden von den Israelis neue Siedlungsbaupläne verkündet.

Israel hat die Freilassung der ersten Gruppe von insgesamt 104 palästinensischen Langzeithäftlingen beschlossen. Ein zuständiger Ministerausschuss stimmte am Sonntagabend dafür, zunächst 26 Palästinenser im Rahmen der neuen Nahost-Gespräche freizulassen. "Auf der gebilligten Liste stehen 14 Palästinenser, die nach Gaza gebracht werden, und 12 aus dem Westjordanland", hieß es in der Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. In der Nacht wurde die Namensliste veröffentlicht. 20 von ihnen wurden wegen Mordes verurteilt, der Rest wegen Beihilfe zum Mord. Die Familien ihrer Opfer kündigten am Montag an, vor Gericht Einspruch gegen die Freilassung einzulegen.

"Das sind keine politischen Häftlinge, das sind Mörder, die jetzt freikommen", sagte Gila Molcho, deren Bruder Ian Feinberg vor 20 Jahren ermordet wurde, dem Zweiten Israelischen Fernsehen. "Es kann nicht sein, dass unser Blut so billig ist", so Molcho. "Das sind Mörder, die wieder morden werden."

Bedingung für Start von Verhandlungen

Die Entscheidung der israelischen Regierung soll dazu beitragen, den aktuellen Friedensprozess zu unterstützen. Die Freilassung ist daher noch vor der neuen Runde von Nahost-Gesprächen am Mittwoch geplant. Auf Vermittlung der USA hatten Israel und die Palästinenser den Friedensprozess vor zwei Wochen nach jahrelangem Stillstand wieder in Gang gebracht. Ziel ist eine Einigung auf eine Zwei-Staaten-Lösung binnen neun Monaten.

Die Autonomiebehörde von Präsident Mahmoud Abbas hatte die Freilassung der Langzeithäftlinge als Bedingung für neue Friedensverhandlungen gefordert. Sie wurden zumeist wegen tödlicher Anschläge auf Israelis verurteilt.

Siedlungsbau gefährdet Gespräche

Stunden vor der Billigung der Häftlingsfreilassung verkündete Israel am Sonntag Pläne für den Bau von mehr als 1000 neuen Wohneinheiten in Siedlungen. Das Wohnungsbauministerium teilte mit, es sollten Ausschreibungen für 1187 Wohnungen in Ost-Jerusalem und verschiedenen Siedlungen im Westjordanland veröffentlicht werden.

Die Palästinenser sehen die Gespräche vor allem durch den fortdauernden Siedlungsbau im Westjordanland und Ost-Jerusalem gefährdet. Sie fordern einen vollständigen Baustopp Israels in den Palästinensergebieten.

Disput zwischen Israel und EU

Unterdessen sicherte Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle (FDP) Israel und den Palästinensern die Unterstützung Deutschlands für ihre neuen Friedensgespräche zu. "Wir werden eine konstruktive und unterstützende Rolle spielen", sagte er am Sonntag zum Auftakt einer zweitägigen Nahost-Reise. Der israelische Präsident Schimon Peres und Justizministerin Zipi Livni konfrontierten ihn mit einer konkreten Forderung: Die EU solle auf die geplante Verschärfung ihrer Förderrichtlinien für Israel verzichten, die gegen illegalen Siedlungsbau im Westjordanland gerichtet sind.

Die israelische Siedlungspolitik belastet auch die Beziehungen Israels zur EU. Die Europäische Union hatte im Juli angekündigt, dass von 2014 an in jeder Vereinbarung mit Israel ein Ausschluss der Förderung illegaler israelischer Siedlungen im besetzten Westjordanland und in Ost-Jerusalem festgeschrieben sein muss. Diese bisher ungeschriebene Praxis solle nun in jedes neue Übereinkommen der EU mit Israel über die Gewährung finanzieller Hilfen, Stipendien und aller anderen EU-Förderprogramme ausdrücklich aufgenommen werden. Medienberichten zufolge will die israelische Regierung nun das Forschungsabkommen Horizon 2020 mit der Europäischen Union zunächst nicht unterzeichnen.

(APA/dpa)

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