Am Donnerstag wurde Ägyptens 2011 gestürzter Ex-Diktator aus dem Gefängnis in ein Militärkrankenhaus entlassen. Er bleibt vorerst in Hausarrest. Größere Proteste gab es nicht.
Kairo/Wien. Als der Rettungshubschrauber am späten Donnerstagnachmittag über dem Kairoer Tora-Gefängnis auftauchte, war klar: Jetzt wird es ernst. Kurz zuvor war eine richterliche Verfügung zu der berüchtigten Haftanstalt gebracht worden, wonach der seit April 2011 inhaftierte Ex-Diktator Hosni Mubarak unverzüglich freizulassen sei. Bereits am Mittwoch hatte das Kairoer Strafgericht dem Antrag von Mubaraks Verteidigern auf Haftverschonung stattgegeben.
Der 85-Jährige, der im Frühjahr 2011 durch einen Volksaufstand gestürzt worden war, wurde mit dem Helikopter zum Militärkrankenhaus im Stadtteil Maadi geflogen, wo er in einem speziellen Trakt untergebracht werden soll. Mubaraks Söhne Alaa und Gamal, die in den vergangenen 17 Monaten zusammen mit ihrem Vater in Tora einsaßen, bleiben dagegen weiterhin hinter Gittern.
Nach ägyptischem Recht hat jeder Untersuchungsgefangene, dessen Prozess nach zwei Jahren nicht mit einem rechtskräftigen Urteil endet, das Recht auf Haftverschonung. Gegen Mubarak laufen insgesamt vier Verfahren, drei wegen Korruption und Bereicherung im Amt. In dem zentralen Strafverfahren geht es aber um Beihilfe zum Mord in mehr als 800 Fällen. Die Anklage wirft Mubarak vor, den Schießbefehl der Sicherheitskräfte auf Demonstranten im Jänner und Februar 2011 selbst angeordnet oder zumindest gebilligt zu haben. In erster Instanz war Mubarak zu lebenslanger Haft verurteilt worden, das Berufungsverfahren ist noch im Laufen.
Nur ein paar Dutzend Anhänger
Übergangspremier Hazem el-Beblawi ordnete Mittwochabend an, dass Mubarak unter Hausarrest gestellt wird und das Land nicht verlassen darf. Damit wollen die neuen Machthaber Protesten vorbeugen. Die gab es zunächst nicht, doch warteten im Gegenzug auch nur einige Dutzend Anhänger Mubaraks vor dem Gefängnistor.
Von ägyptischen Menschenrechtsorganisationen und Vertretern der Demokratiebewegung war praktisch keine Kritik zu hören. Die Bewegung Tamarod, die sich seit Wochen mit strammen Pro-Armee-Sprüchen hervortut, appellierte allerdings an Interimspräsident Adly Mansour, seine legislative Allmacht zu nutzen, um Mubarak „als Gefahr für die nationale Sicherheit" weiter hinter Gittern zu halten. Dem Ex-Staatschef sollte ein ganz neuer Prozess gemacht werden, zusammen mit seinem im Juli gestürzten Nachfolger, Mohammed Mursi. Ahmed Maher, Vorsitzender der Jugendbewegung 6. April, erklärte gegenüber der „New York Times", er erwarte keine größeren Proteste: „Jeder, der es momentan wagt, Kritik an Regierung, Präsident oder Militär zu üben, wird sofort des Hochverrats beschuldigt und als heimlicher Muslimbruder verdächtigt."
Eine Rolle bei Mubaraks Freilassung haben hinter den Kulissen offenbar Saudiarabien, Kuwait und die Vereinigten Arabische Emirate gespielt. Sie unterstützen die neue Führung Ägyptens bisher mit zwölf Milliarden Dollar. Schon im November 2011 hatte der saudische König Abdullah gegenüber dem damaligen Obersten Militärrat klargestellt, sein Land werde Ägypten nur dann mit weiteren Milliardenhilfen beispringen, wenn Prozess und Inhaftierung von Mubarak beendet würden.
Korruption und Vetternwirtschaft
Mubaraks Söhne Gamal und Alaa, gegen die Korruptionsverfahren laufen, hatten sich schon früher Hoffnung auf Freilassung gemacht. Ihre Namen waren während der Herrschaft ihres Vaters mit Vetternwirtschaft und hemmungsloser Bereicherung verbunden gewesen. Es kursierten zahlreiche Witze, die auf die mutmaßliche Kontrolle ganzer Wirtschaftsbereiche durch die Familie Mubarak und ihre Günstlinge anspielten. Alaa und Gamal Mubarak wurden gemeinsam mit ihrem Vater im April 2011 verhaftet. Ein Gericht verfügte zwar bereits Ende Juni ihre Freilassung, sie sitzen allerdings noch immer ein.
Während Alaa (geboren 1961) in der Öffentlichkeit weniger präsent war, war sein jüngerer Bruder Gamal (geboren 1963) in den Jahren vor 2011 vom Vater zum Nachfolger aufgebaut worden. Vor der Revolution war er bereits stellvertretender Generalsekretär der damaligen Regierungspartei gewesen. Er blieb aber - vor allem wegen seines Geschäftsgebarens - in der Bevölkerung unbeliebt. Auch in der Armee, die ein weites Wirtschaftsimperium kontrolliert, wäre man mit einer Bestallung Gamals alles andere als glücklich gewesen.