Schwerster Anschlag seit 1990 erschüttert Libanon

Schwerster Anschlag seit 1990
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Vor zwei Moscheen in Tripoli gingen Autobomben hoch. Dutzende Menschen wurden getötet, hunderte verletzt. Der Zedernstaat wurde in den vergangenen Monaten immer stärker in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen.

er Libanon ist am Freitag von den verheerendsten Anschlägen seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 erschüttert worden. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurden mindestens 42 Menschen getötet und hunderte weitere verletzt, als im Abstand von wenigen Minuten bei zwei sunnitischen Moscheen in Tripoli zwei Autobomben explodierten. Das Rote Kreuz sprach von 43 Toten und mehr als 500 Verletzten. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilten die Anschläge scharf.

Unter den Verletzten seien zahlreiche Schwerverletzte mit Verbrennungen und Kopfverletzungen, sagte der Leiter des Rot-Kreuz-Rettungsteams, Georges Kettaneh. Im Fernsehen waren Leichen, brennende Fahrzeuge, schwer beschädigte Häuserfassaden und Männer zu sehen, die Verletzte trugen.

Die neue Gewalt hat die Sorge vor einem Übergreifen des Syrien-Kriegs auf das Nachbarland verstärkt. In Tripoli gibt es immer wieder blutige Konflikte zwischen Sunniten, die mehrheitlich die Aufständischen im benachbarten Syrien unterstützen, und Alawiten, die auf der Seite des syrischen Machthabers Bashar al-Assad stehen. Sunniten wie Schiiten im Libanon haben Kämpfer nach Syrien geschickt. Der libanesische Verteidigungsminister Fayez Ghosn rief zur Ruhe auf. Das Ziel der Anschläge sei, den Streit zwischen den Bevölkerungsgruppen anzufachen, sagte er. Die schiitische Hisbollah verurteilte die Angriffe.

Beide Sprengsätze explodierten, als Gläubige nach dem Freitagsgebet in großen Zahlen sunnitische Moscheen verließen. Das erste Gotteshaus, die Taqwa-Moschee, wird von einem Kleriker geleitet, der die sunnitischen Rebellen in Syrien unterstützt. Am Ort der zweiten Detonation, der Al-Salam-Moschee, sah ein Reuters-Reporter einen vier Meter breiten und mehr als zwei Meter tiefen Krater. Ein Sprengsatz wurde nach Angaben der Sicherheitskräfte in der Nähe der Wohnung des scheidenden Regierungschefs Najib Mikati gezündet, der nach Angaben seiner Mitarbeiter nicht anwesend war. Die zweite Explosion erfolgte nahe der Wohnung von Ex-Polizeichef Ashra Rifi.

Die beiden Anschläge waren die blutigsten seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs, der den einst blühenden Staat am östlichen Ufer des Mittelmeers von 1975 bis 1990 erschütterte. Vor einer Woche waren bei einem Autobombenanschlag in einem schiitischen Vorort der Hauptstadt Beirut 27 Menschen getötet worden. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt. Armee-Chef Jean Kahwaji hatte am Mittwoch vor weiteren Anschlägen gewarnt und einen "absoluten Krieg gegen den Terrorismus" angekündigt.

Ban verurteilte die Anschläge "scharf". Der UNO-Generalsekretär rief "alle Libanesen" auf, "Zurückhaltung zu zeigen, vereint zu bleiben und den Staatsinstitutionen, insbesondere den Sicherheitskräften, zu helfen, Ruhe und Ordnung in Tripoli und im ganzen Land zu wahren".

Die EU-Außenbeauftragte Ashton zeigte sich "entsetzt". Ashton verurteilte in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung die "Terroranschläge aufs Schärfste". Die Anwendung von Gewalt gegen Zivilisten sei "absolut inakzeptabel". Auch die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, verurteilte die Anschläge, sie bedauerte den "Verlust unschuldigen Lebens".

Der Libanon stand nach dem Bürgerkrieg faktisch unter syrischer Oberherrschaft, starke Truppenkontingente aus Syrien waren in dem Zedernstaat stationiert. Die Entwicklungen in Syrien schlugen immer wieder auf die libanesische Politik durch. Zu den Anschlägen, die den Libanon besonders schwer erschütterten, zählt auch der Mordanschlag auf den ehemaligen Regierungschef Rafik Hariri vom Februar 2005, bei dem 23 Menschen getötet wurden.

(APA/Reuters/AFP/Red.)

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