Türkei: Erdoğan hofft auf Sturz Assads

Türkei: Erdoğan hofft auf Sturz Assads
Türkei: Erdoğan hofft auf Sturz Assads(c) REUTERS (UMIT BEKTAS)
  • Drucken

Der Premier verspricht sich von einer Militärintervention des Westens vor allem ein Ende der Diktatur im Nachbarland. Diese Linie ist aber heftig umstritten - und sie könnte sich im Kriegsverlauf gegen ihn richten.

Istanbul. Auch wenn die USA ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Militärschläge in Syrien nicht der Entmachtung von Bashar al-Assad dienen sollen, hofft die Türkei auf genau dieses Ergebnis. Ein Diktator wie Assad müsse gestoppt werden, sagt der Sprecher der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan. „Ich hoffe, dass dieser Schmerz bald vorüber ist und dass in Syrien Normalität einkehrt.“ Im eigenen Land ist die Linie der türkischen Regierung aber heftig umstritten.

Erdoğan, ein früherer Partner von Assad, der inzwischen zu den unerbittlichsten Gegnern des syrischen Präsidenten gehört, beklagt schon seit Langem, die internationale Gemeinschaft sehe dem Morden beim Nachbarn Syrien untätig zu. Türkische Forderungen nach der Einrichtung militärisch gesicherter Schutzzonen für Flüchtlinge und Deserteure innerhalb Syriens wurden ignoriert.

Inzwischen haben die Türken rund eine halbe Million Flüchtlinge aus Syrien zu versorgen, auch starben mehrere türkische Staatsbürger beim Einschlag syrischer Geschosse im Grenzgebiet. Mehrere Dutzend weitere Todesopfer gab es bei Bombenanschlägen in der Türkei, für die Erdoğan die syrische Regierung verantwortlich machte. Kein Land sei so vom syrischen Bürgerkrieg betroffen wie die Türkei, sagt Außenminister Ahmet Davutoğlu.

„Erfüllungsgehilfe der Amerikaner“

Zwar betonten die USA, es gehe nicht um einen Sturz Assads, sagte Regierungssprecher Ayhan. Aber in Wahrheit gehe es aus Sicht Ankaras eben doch darum. Ein westlicher Diplomat in der Türkei sieht bei der türkischen Regierung ebenfalls den starken Wunsch, die erwartete US-Operation als Schritt zum Sturz Assads zu interpretieren. Möglicherweise sei das aber „Wunschdenken“.

Viele Möglichkeiten, auf die USA einzuwirken, hat die Türkei jedenfalls nicht. Für die offenbar bevorstehenden US-Schläge gegen Assad wird Ankara nur in zweiter Linie gebraucht. Die Türkei soll vor allem durch die Koordination mit den syrischen Rebellen, durch Geheimdienstinformationen sowie die Bereitstellung einer Luftwaffenbasis helfen.

Dennoch kritisiert die Opposition bereits, Erdoğan mache sich zum Erfüllungsgehilfen der Amerikaner. Der Westen benutze den Vorwurf des Chemiewaffeneinsatzes durch Assad als Vorwand für „Krieg und Besetzung“ in Syrien, sagte Faruk Loğoğlu, Außenpolitiker der Oppositionspartei CHP. Loğoğlu rief Erdoğan auf, er solle lieber auf die türkische Bevölkerung hören als auf den Westen.

Dass Loğoğlu so gegen den Westen vom Leder zieht, hat handfeste innenpolitische Gründe. Bei Linken wie Rechten in der Türkei ist der Antiamerikanismus seit Jahrzehnten weit verbreitet. Den USA werden hegemoniale Absichten im Nahen Osten nachgesagt. In einer Umfrage äußerten im vergangenen Jahr 57 Prozent der Türken eine negative Meinung über die USA. Vor Kommunal- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr liegen antiamerikanische Töne für die Opposition deshalb nahe.

Richtig unangenehm könnte es für Erdoğan und die AKP dann werden, wenn bei den US-Angriffen viele Unschuldige ums Leben kommen sollten. In diesem Fall könnte die Stimmung in der Wählerschaft gegen die Angriffsbefürworterin AKP umschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.