Paris und Berlin: Assad hinter Gasangriff

Paris legt „Beweise“ für Assads Giftgasangriff vor
Paris legt „Beweise“ für Assads Giftgasangriff vorREUTERS
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Französische Geheimdienste haben angeblich Satellitenbilder, die eine Verantwortung des syrischen Regimes belegen sollen.

Kairo/Damaskus/Paris/Wien/m. G./R. B./Red. Die USA erhalten Rückenwind aus Frankreich und Deutschland. Laut Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist Syriens Diktator Bashar al-Assad für den Giftgaseinsatz in Vororten von Damaskus am 21. August verantwortlich. Zwar fehle ein eindeutiger Beweis, so Schindler laut dem Magazin „Der Spiegel", aber nur die Armee würde über Kampfstoffe wie Sarin und jene Raketen verfügen, die bei dem Angriff zum Einsatz kamen. Möglicherweise habe Assad einen Giftgaseinsatz angeordnet, weil er sich in einer Art Endkampf um Damaskus sah. Somit decken sich die Ergebnisse des BND sich mit jenen der USA.

Zudem habe der BND ein Gespräch eines hohen Hisbollah-Vertreters mit der iranischen Botschaft abgehört. Dabei soll der Hisbollah-Mann - die Miliz unterstützt Assad - den Giftgaseinsatz zugegeben haben. Derweil wurde auch die Zusammenfassung französischer Geheimdiensterkenntnisse veröffentlicht. Niemand anders als das Regime komme für diesen Giftgaseinsatz infrage, heißt es in dem Bericht. Für diesen Einsatz habe sich das Regime in den Tagen davor auch vorbereitet. Zudem verfüge die Opposition nicht über die Kapazitäten, „eine Operation dieser Größenordnung mit chemischen Kampfstoffen durchzuführen." Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet zudem unter Berufung auf eine Pariser Regierungskreise von Satellitenaufnahmen, die Assads Verantwortung beweisen sollen. Demnach sollen die Attacken von jenen Regionen ausgegangen sein, die vom Regime kontrolliert werden.

Assad: „Wo ist hier die Logik?"

Während also Frankreich von vom Giftgaseinsatz Assads überzeugt zu sein scheint, sieht Assad die französische Politik dezidiert als Feind des syrischen Volkes an. Das sagte der Präsident der französische Tageszeitung „Le Figaro", die gestern Abend Auszüge aus einem Exklusivinterview veröffentlicht hat. Darin leugnet der Staatschef jede Verantwortung für den Einsatz von Chemiewaffen durch seine Streitkräfte. Wer solche Anschuldigungen erhebe, müsse die Beweise dafür vorlegen, und das sei seiner Ansicht nach nicht der Fall.

Im Gegenteil, so argumentiert er, hätten die UNO-Inspektoren in Krankenhäusern festgestellt, dass Soldaten der Regierung bei solchen Angriffen verletzt worden seien. „Nehmen wir einmal an, dass unsere Armee die Verwendung von Massenvernichtungswaffen beabsichtigt: Wäre es möglich, dass sie das in Zonen tut, wo sich die (eigenen) Soldaten aufhalten? Wo ist da die Logik?" Wie bei früheren Gelegenheiten droht Assad im Fall eines militärischen Eingreifens von Außen mit Eskalation: Der Nahe Osten sei ein „Pulverfass", bei dessen Explosion alle die Kontrolle verlieren würden. Auch das „Risiko eines regionalen Kriegs" existiere.

Syriens Regime fühlt sich seit dem Wochenende in dem ungleichen Duell zwischen mit den USA zunächst einmal als Sieger. Entsprechend höhnisch tönt es aus Damaskus Richtung Washington. Der US-Präsident habe bei seiner Rede „zögerlich, enttäuscht und verwirrt" gewirkt, stichelte Vize-Außenminister Faisal al-Muqdad, und appellierte an die US-Abgeordneten, bei ihrer Abstimmung „Weisheit zu zeigen". Im gleichen Atemzug tadelte er Frankreich Präsidenten François Hollande und seinen Außenminister Laurent Fabius als „verantwortungslos". Ein Militärschlag werde nur al-Qaida helfen und den Hass gegen Amerika vertiefen.

Seit Jahrzehnten betrachten sich Syriens Machthaber als Treuhänder des arabischen Nationalismus sowie als Bollwerk gegen Israel und den amerikanischen Einfluss in der Region. Tagelang sendet das Staatsfernsehen nun schon Bilder von Militärmanövern und Menschenmengen, die ihren Soldaten zujubeln - unterlegt mit patriotischer Musik.

Häftlinge als Schutzschilde?

Man sei in der Lage, jeder ausländischen Aggression entgegenzutreten, brüstete sich Assad. Obama zögere, weil er die absehbare Niederlage vor Augen habe und befürchte, „dass seine Intervention zu einem offenen Krieg wird". Ungeachtet aller rhetorischen Muskelspiele jedoch ließ die Armeeführung inzwischen alle wichtigen Kommandogebäude in Damaskus räumen und verlegte ihre Truppen zum Schutz vor amerikanischen Cruise Missiles in Moscheen, Schulen und Universitätsgebäude. Auch die drei großen Militärbasen rund um den Flughafen in Damaskus wurden evakuiert, die Kasernenkomplexe anschließend vom Stromnetz getrennt.

Auch die drei großen Militärbasen rund um den Flughafen in Damaskus wurden evakuiert, die Kasernenkomplexe vom Stromnetz getrennt. Aus Oppositionskreisen heißt es, das Regime habe politische Gefangene in die verwaisten Kasernen gebracht und eingesperrt, um sie als „menschliche Schutzschilde" gegen einen möglichen amerikanischen Raketenhagel zu missbrauchen.

Das französische Dokument

Zunächst heißt es in dem neunseitigen Dokument der französischen Regierung, dass das syrische Regime schon früher im Bürgerkrieg C-Waffen eingesetzt habe,"(...) insbesondere Sarin bei begrenzten Angriffen gegen die eigene Bevölkerung, speziell im April 2013". Syrien habe einen der größten Bestände an chemischen Waffen, heißt es in dem Papier. Darunter sollen sich jeweils "mehrere hundert Tonnen" der Kampfstoffe Senfgas und Sarin befinden.

Bei dem Angriff am 21. August habe das Regime "vorsätzlich eine Schwelle überschritten". Paris will 47 Videos systematisch technisch ausgewertet haben. Hinzu kämen Augenzeugenberichte. Nach den französischen Erkenntnissen wurden bei dem angeblichen Giftgaseinsatz am 21. August bis zu 1500 Menschen getötet. Die betroffenen Gebiete sollen zuvor vollständig in der Hand von Rebellen gewesen sein.

In Punkt vier des Dokuments heißt es:

"4. - Der Angriff vom 21. August kann nur vom Regime befohlen und ausgeführt worden sein.

Der kombinierte Angriff vom 21. August entspricht einem klassischen, taktischen Schema (Vorbereitung durch Artillerie, danach Bodenoffensive), und der Gebrauch von chemischen Substanzen hat sich auf militärischer Ebene in ein zusammenhängendes taktisches Manöver eingefügt (...). Die glaubwürdigen Geheimdienstinformationen mehrerer Partner berichten von spezifischen Vorbereitungen an den Tagen vor dem 21. August.

Die konventionelle Bombardierung aus der Luft und durch die Artillerie von Ghouta Ost trugen sich zwischen 03.00 und 04.00 Uhr in der Früh zu. Parallel dazu wurden die Ort Zamalka, Kafr Batna und Ayn Tarma mit chemischen Waffen angegriffen. Um 06.00 Uhr in der Früh startete eine Bodenoffensive auf diese Orte.

Mehrere Quellen berichten vom Gebrauch von Artilleriegeschoßen, die anders waren als die bekanntesten (...). Unsere technischen Analysen haben bestätigt, dass die Überreste der Geschoße, die bei dieser Gelegenheit beobachtet wurden (...), für chemische Substanzen eignen.

Das Regime hat anschließend bedeutende Boden- und Luftangriffe auf die bereits angegriffenen Gebiete durchgeführt.

Es bemühte sich, die Ankunft der Inspektoren während einiger Tage zu verzögern. Das alles bestätigt einen klaren Willen, im Nachhinein Beweise zu vernichten.

Außerdem löste die Armee Brände aus, die wahrscheinlich darauf abzielten, die Atmosphäre (...) zu reinigen.

Unsere Informationen bestätigen, dass das Regime einen Großangriff der Opposition auf Damaskus in dieser Zeit befürchtete. Wir schließen daraus, dass das Regime mit diesem Angriff, den Schraubstock lösen wollte und sich für die Kontrolle der Hauptstadt strategisch wichtige Orte sichern wollte. Zum Beispiel ist das Viertel Moadamiye nahe dem Militärflughafen Mezzeh mit Geheimdienst-Einrichtungen der Luftwaffe gelegen.

Alles in allem ist klar, wenn man die Durchführung des Angriffs studiert, dass niemand anderer als das Regime gegen für die Opposition strategische wichtige Positionen so losschlagen konnte.

Wir meinen abschließend, dass die syrische Opposition keine Fähigkeiten hat, um eine derart große Operation mit Chemiewaffen durchzuführen. Keine Gruppe unter den syrischen Aufständischen hat derzeit die Fähigkeit, solche Substanzen zu lagern und zu gebrauchen, wie sie in der Nacht des 21. August 2013 zum Einsatz kamen. Diese Gruppen haben weder die Erfahrung noch das Know-how, um das ins Werk zu setzen (...)."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2013)

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