Angriff auf Syrien: Obamas harte Überzeugungsarbeit im Kongress

Angriff auf Syrien: Obamas harte Überzeugungsarbeit im Kongress
Angriff auf Syrien: Obamas harte Überzeugungsarbeit im Kongress(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Zwischen Weißem Haus und Kapitol. Will der Präsident je den Iran angreifen, muss er jetzt sein Parlament zum Syrien-Einsatz bewegen.

Washington. Am Dienstag beginnt auf dem Washingtoner Kapitol-Hügel die wichtigste parlamentarische Auseinandersetzung der jüngeren Vergangenheit zwischen Amerikas Präsidenten und dem Kongress. Eine Anhörung im außenpolitischen Ausschuss des Senats leitet eine Woche intensiver Debatten im amerikanischen Parlament ein, an deren Ende folgende Frage stehen wird: Hat Barack Obama den Kongress davon überzeugt, dass ein Angriff auf Syrien im Interesse der USA ist?

Drei Gruppen von Senatoren und Abgeordneten muss der Präsident auf seine Linie bringen: die eigene Demokraten, die gegen einen Einsatz in Syrien sind, weil sie von den fatalen Erfahrungen der Kriege im Irak und in Afghanistan geprägt sind; interventionistische Republikaner, die nicht bloß einen kurzen, eingeschränkten Luftschlag gegen die Artillerie des Regimes von Baschar al-Assad führen wollen, sondern sein Regime stürzen wollen; und isolationistische Republikaner, die von der Tea-Party-Bewegung angetrieben jegliches internationale Engagement der USA ebenso ablehnen, wie sie dem ihnen verhassten Präsidenten Schaden zufügen wollen.

Präsident legt sich mit eigenen Beratern an

Obama ist zwar noch immer der Ansicht, dass die „War Powers Resolution“ aus dem Jahr 1973 seine verfassungsrechtliche Ansicht stützt, der zufolge der Präsident begrenzte Luftschläge ohne Entsendung von Bodentruppen im Alleingang befehlen kann. Vor zwei Jahren hat er beim Angriff auf Libyen sogar einen negativen Beschluss des Repräsentantenhauses missachtet.

Doch die vorwöchige Abstimmungsniederlage von Premierminister David Cameron im Unterhaus des britischen Parlaments hat im Zusammenspiel mit dem Fehlen eines breiten internationalen Bündnisses Obama zu folgender Einsicht geführt: Wenn der Kongress jetzt nicht mit an Bord ist, wird es den Vereinigten Staaten nicht möglich sein, in einigen Jahren iranische Atomwaffenanlagen anzugreifen, falls der Iran sein Nuklearprogramm militarisiert. David Sanger hat am Sonntag in der „New York Times“ beschrieben, wie Obama seinen Entschluss, den Kongress einzubeziehen, im Alleingang und gegen den Widerstand seiner engsten Berater getroffen hat. Am Freitag, zwischen 19 und 21 Uhr, bog er in einer angespannten Sitzung die neue Linie zurecht.

Die Schlüsselfiguren im Kongress

Nun muss Obama einige Schlüsselfiguren unter den 535 Mitgliedern des Kongresses überzeugen. Schon am Sonntag bekamen 85 Mitglieder des Repräsentantenhauses eine Orientierung über die Vorfälle vom 21. August am Damaszener Stadtrand von Vertretern des Weißen Hauses und der Geheimdienste. Zwei der wichtigsten Männer im Abgeordnetenhaus, das von den Republikanern kontrolliert wird, fehlten dabei: John Boehner, der Vorsitzender der Kammer, und Eric Cantor, der Fraktionsführer.

Ein wichtiger republikanischer Abgeordneter, der öfter eine Brücke zu den Demokraten schlägt, ist derzeit gegen einen US-Angriff auf Syrien. „Es wird sehr schwer werden, das zu verkaufen“, sagte Tom Cole. Der derzeit wichtigste Vertreter des isolationistischen Flügels der Republikaner lehnt den Einsatz ebenfalls ab. „Wenn das US-Militär involviert sein soll, sollte es ein klares Ziel geben, das den Regimewandel oder die Eindämmung der Massenvernichtungswaffen beinhaltet“, sagte Devin Nunes zum „Washington Examiner“. „Ich habe mich mit diesem Thema befasst und bisher noch mit keinem Militär gesprochen, der sagt, dass diese Ziele leicht zu erreichen seien.“

Die Republikaner sind seit dem mit verfälschten Beweisen begonnenen Irak-Krieg unter ihrem Präsidenten George W. Bush gebrannte Kinder, was überhastete Militäreinsätze betrifft. Sie wollen um jeden Preis vermeiden, dass Obamas Schachzug glückt und sie in die Mitverantwortung für den Luftkrieg gegen Syrien gezogen werden – samt allen seinen unabsehbaren Folgen. Zudem prasselt auf sie seit einigen Tagen eine Barrage von E-Mails der Anhänger der radikalen Tea-Party-Bewegung ein, die gegen den Syrien-Angriff ist.

Im Senat wiederum haben die Demokraten die Mehrheit. Die Republikaner sind hier zwischen glühenden Interventionisten wie John McCain und eisernen Isolationisten wie Rand Paul gespalten. Ted Cruz und Marco Rubio, die prominentesten Liebkinder der Tea-Party-Aktivisten im Senat, haben sich bisher noch nicht klar für oder gegen den Angriff geäußert. Tom Coburn, der geistige Ziehvater dieser Bewegung, ist in dieser Frage bisher stumm. Sicher ist nur: Obamas Entwurf eines Beschlusses, der ihm freie Hand im Kampf gegen Assads Chemiewaffen gibt, wird auf dem Kapitol heftig umformuliert werden. Das hat der wichtige Demokrat Patrick Leahy schon bestätigt.

Und so stehen die USA vor einem Paradoxon: Der Präsident, der unwillig ist, in den Krieg zu ziehen, muss seinem Parlament einbläuen, warum das wichtig für Amerikas Stellung in der Welt wäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2013)

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