Libanon: Generalmobilmachung der Hisbollah

Generalmobilmachung Hisbollah
Generalmobilmachung Hisbollah(c) EPA (HASSAN BAHSOUN)
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Die Assad-loyale Schiitenmiliz bereitet sich auf Waffengang gegen die USA und Israel vor. Laut BND waren sie über den Giftgasangriff in Damaskus informiert.

Die großen, breitschultrigen Männer sind von den Checkpoints verschwunden. Bewaffnete Teenager haben die Aufgabe übernommen, Fahrzeuge an den Zufahrtsstraßen zur Dahieh in Beirut zu kontrollieren. Sie sollen weitere Anschläge in dem schiitischen Stadtteil und der Hochburg der Hisbollah verhindern. Zwei Autobomben haben im Juli und August mehr als 20 Menschen getötet. Die libanesische Miliz kämpft aufseiten des Regimes von Bashar al-Assad und steht deshalb im Fadenkreuz der syrischen Opposition. Im Juli setzte die EU den militärischen Arm der Hisbollah auf ihre Terrorliste.

Auch aus anderen Städten des Libanon wurde gemeldet, Hisbollah-Kämpfer hätten ihre üblichen Posten verlassen. Bewohner von Tyrus, einer kleinen Hafenstadt im Süden des Landes, hatten das Gefühl einer „Generalmobilmachung“. In Baalbek, einer Stadt im Bekaa-Tal, die für ihre Hisbollah-Märtyrer-Straße bekannt ist, behaupteten Bewohner, die Kämpfer und alle Kanoniere seien verschwunden. „Sie mussten ihre Handys ausschalten, damit man sie nicht aufspüren kann“.

Unterirdische Waffenlager

Im Süd- und Nordlibanon werden unterirdische Tunnelsysteme der Hisbollah vermutet. Darin sollen sich Bunker, Waffenlager und mobile Raketenabschussbasen befinden. Insgesamt soll die Hisbollah zwischen 40.000 und 50.000 Raketen besitzen, zumeist Kurzstreckenraketen. Nur ein Teil des Arsenals hat eine Reichweite zwischen 100 und 400 Kilometern. Israel und die USA glauben, die Hisbollah habe sogar Scud-Raketen. Ganz neu soll ein modernes Luftabwehrsystem sein, mit dem man Kampfflugzeuge abschießen kann.

Im Fall eines Regimewechsels durch einen US-Militäreinsatz in Syrien droht die Hisbollah mit Vergeltungsschlägen gegen Israel. Als Verbündeter von Assad, der mit der syrischen Armee in Homs, Aleppo und Damaskus kämpft, ist die Hisbollah ein legitimes Ziel der USA – zumal sie vom Giftgasangriff der Regierungstruppen informiert war.

Dies behauptet Gerhard Schindler, der Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND). Man habe ein Telefonat zwischen einem hochrangigen Hisbollah-Funktionär und einem Mitglied der iranischen Botschaft in Beirut abgehört, bei dem der Mann der libanesischen Miliz den Giftgaseinsatz des Regimes einräumte. Assad seien die Nerven durchgegangen, er habe mit dem Befehl einen großen Fehler begangen.

Das abgehörte Gespräch könnte ein weiteres wichtiges Indiz in der Beweiskette gegen den syrischen Präsidenten und seinen Militärapparat werden. Obwohl nicht klar ist, warum Assad die Nerven verloren haben soll. Seine Truppen befanden sich in Damaskus gegen die Rebellen auf dem Vormarsch.

Vom Libanon aus wolle die Hisbollah keine Vergeltungsangriffe starten, versicherte einer ihrer Offiziere der kuwaitischen Tageszeitung „al-Rai“. „Wir kontrollieren den Umkreis von Homs und zögern nicht, Boden-Boden-Raketen abzuschießen.“ In Syrien sollen Regierungstruppen und die libanesische Miliz dafür eine neue Kommandozentrale eingerichtet haben. Sie steht angeblich mit syrischen Raketenbasen in direktem Kontakt.

Israel fürchtet Raketenhagel

Israel wies auf das umfangreiche syrische Arsenal von Scud-Raketen, sowie russischen und chinesischen Raketen mit mehreren hundert Kilometern Reichweite hin. Obwohl Israel mit „Iron Dome“ und anderen Systemen eine effiziente Raketenabwehr hat, könnte jede Stadt im Land getroffen werden.

Ein Angriff von syrischem Territorium aus würde einen vernichtenden Gegenschlag Israels zur Folge haben. Die Frage für die Hisbollah ist: Wird der Vergeltungsangriff auch auf den Libanon ausgedehnt? Vor fünf Tagen begann die libanesische Miliz abzutauchen. Man scheint die letzten Vorbereitungen zu treffen – wie üblich für alle erdenklichen Szenarien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2013)

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