G20-Gipfel: Diplomatisches Duell im Konstantinpalast

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G20Gipfel Diplomatisches Duell Konstantinpalast(c) REUTERS (GRIGORY DUKOR)
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In St. Petersburg steuerten Russland und die USA in der Syrien-Krise auf einen Showdown zu. Das Klima zwischen Washington und Moskau ist deutlich abgekühlt.

Wien/St.Petersburg. Barack Obama zwang sich zu einem routinierten Lächeln, als ihn der Gastgeber zum Auftakt des G20-Gipfels vor dem Konstantinpalast in Empfang nahm. Wladimir Putin zeigte sich im Small Talk mit seinem Gast aus Washington dagegen eher schmallippig. Der russische Präsident hatte das Herrenzimmer des prunkvoll restaurierten Barockschlosses in Strelna außerhalb von St. Petersburg für Vieraugengespräche mit den Teilnehmern des Treffens reserviert. Vor sieben Jahren hatte er am gleichen Ort auch George W. Bush bei Laune gehalten.

Mit dem Obama-Vorgänger verband Putin so etwas wie eine Machofreundschaft, besiegelt bei einem Besuch auf dessen Ranch in Texas. Obama wiederum führte Putin-Nachfolger Dmitrij Medwedjew bei dessen Visite im Weißen Haus zu einem Lunch in das Fast-Food-Restaurant Ray Hell's Burger in das nahe Arlington. Ohne zu ahnen, dass das Mikrofon eingeschaltet war, vertraute Obama ihm später an, nach der Präsidentenwahl 2012 außenpolitisch mehr Spielraum zu haben – mit der Bitte, die Botschaft persönlich an Putin zu überbringen. Doch die stieß beim Kreml-Herrn auf taube Ohren.

Lektion aus dem Libyen-Krieg

Die inzwischen auf die lange Bank geschobenen Pläne für einen US-Raketenschutzschild in Mittel- und Osteuropa weckten dessen Missmut. Die Überrumpelung bei der Libyen-Intervention, als Moskau im UN-Sicherheitsrat auf das Veto verzichtete, bestätigte 2011 dessen Argwohn. Russland wird kaum mehr so leichtfertig sein wichtigstes machtpolitisches Instrument auf der Weltbühne aus der Hand geben, lautet die Lektion aus dem Libyen-Krieg. „Russland fühlte sich betrogen“, verriet jüngst der damalige US-Verteidigungsminister Robert Gates.

Noch zu Beginn seiner Amtszeit sandte Obama betont freundschaftliche Signale aus. In einer Goodwill-Geste übergab Außenministerin Hillary Clinton ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow einen roten Knopf, der einen Neustart der Beziehungen symbolisieren sollte – allerdings mit der falschen Übersetzung in Russisch. In der Zwischenzeit ist das russisch-amerikanische Klima abgekühlt – auf einen Tiefpunkt seit Ende des Kalten Kriegs, wie manche Polit-Meteorologen in den Thinktanks urteilen.

Das trifft vor allem auf die Chemie zwischen den mächtigsten Männern der Welt zu. Zum Ausdruck kam dies beim G8-Gipfel in Nordirland, als sie den Eindruck erweckten, einander nichts zu sagen zu haben. Der US-Präsident stichelte hinterher: Putin führe sich auf wie ein „gelangweilter Schüler“. „Er steht mit einem Bein noch im Kalten Krieg.“ Animositäten pflegt der Kreml-Chef nicht zu vergessen.

Im Vorfeld des G8-Gipfels teilten die Präsidenten neben ein paar Höflichkeitsfloskeln – insbesondere von russischer Seite – gegenseitige Vorwürfe aus. Putin zieh Außenminister John Kerry, Washingtons Chefankläger in Sachen Syrien, der Lüge; Obama kritisierte die Diskriminierung Homosexueller in Russland. Nachdem Russland NSA-Aufdecker Edward Snowden – aus US-Sicht ein „Hochverräter“ – Asyl gewährt hatte, erwog der US-Präsident, seine Teilnahme am G8-Gipfel abzusagen. Am Ende stornierte er nur seine Moskau-Visite.

Als Zeremonienmeister in seiner Heimatstadt St. Petersburg ist für Putin die Verlockung groß, Obama auf dem polierten diplomatischen Parkett des Konstantinpalasts als kriegerischen Einzelgänger vorzuführen und das Forum zur Abrechnung mit der US-Politik umzufunktionieren. Mit einigen Gästen hat es sich Obama ohnedies verscherzt: Die NSA ließ auch Brasiliens Präsidentin Dilma Roussef und Mexikos Staatschef-Kollegen Enrique Peña Nieto bespitzeln. Roussef pocht auf eine Entschuldigung.

In seiner Eröffnungsrede sprach Putin die Probleme der Weltwirtschaft an. Dass sich hinter den Kulissen, in Direktgesprächen, alles um die Syrien-Krise dreht, bewies das Faktum, dass eigens UN-Vermittler Lakhdar Brahimi anreiste. Ob im Stehen oder im Sitzen war nicht sicher – doch am Rande wollten dann auch Putin und Obama zu einem Tête-à-Tête zusammenkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2013)

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