G20-Gipfel: Als Putin und Obama aneinander vorbeiredeten

Putin und Obama
Putin und Obamaimago/Russian Look September 5, 2013
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Die diplomatischen Fronten in der Syrien-Krise sind erstarrt. Assad-Protektor Russland lässt die Muskeln spielen, die USA ringen als „Weltpolizist“ um Unterstützung.

Wien/St. Petersburg. Zu den Klängen der Verdi-Oper „La Traviata“ erleuchtete ein Feuerwerk die Nacht über dem Zarenpalast am Finnischen Meerbusen bei St. Petersburg. Nach dem finalen Akt des Banketts zogen sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Gruppe zu vertraulichen Gesprächen zu nachmitternächtlicher Stunde zurück, doch sie gingen in der Syrien-Frage unverrichteter Dinge wieder auseinander.

Beim abschließenden Gruppenfoto starrten die weltpolitischen Kontrahenten, Wladimir Putin und Barack Obama, demonstrativ aneinander vorbei. Zuvor hatten sie aneinander vorbeigeredet. Am Rande des Treffens hatten sie gerade einmal 20 Minuten für eine Unterredung übrig, die die Spaltung erneut offenlegte: hier der russische Protektor des Assad-Regimes und der geopolitischen Kreml-Interessen, dort der amerikanische Verfechter einer Strafaktion aus moralischen Gründen und „Weltpolizist“.

Beim diplomatischen Showdown blieben die Fronten trotz bemühter Appelle von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und seines Sonderbotschafters Lakhdar Brahimi erstarrt. Eine boshafte Spitze des Putin-Sprechers ließ indessen die Wogen in Großbritannien hochgehen. „Eine kleine Insel, auf die niemand hört“, so hatte er das frühere Weltreich abqualifiziert.

Prompt fühlte sich nicht nur Premier David Cameron in seinem Nationalstolz gekränkt: „Großbritannien mag eine kleine Insel sein, aber wir haben Europa vom Faschismus gerettet, die Sklaverei abgeschafft und alles erfunden, was erfindenswert war.“ Wie um seine Position zu stärken, kündigte Cameron neue Beweise für den Giftgasangriff Assads an. Seit dem Votum gegen eine Militärintervention im Unterhaus tobt in London eine Kontroverse über die weltpolitische Rolle des ehemaligen Empires. Häme von außen ist da unerwünscht.

Skeptische US-Mehrheit

Abgesehen von derlei rhetorischen Scharmützeln richtet sich das Augenmerk in der Syrien-Krise vom barocken Konstantinpalast zum marmornen Prachtbau des Kapitols in Washington, wo nächste Woche die Kongressabgeordneten den Daumen über einen US-Militärschlag heben oder senken werden. Die Schlachtpläne liegen bereit, das Militär ist in Stellung gebracht – zuletzt verstärkte auch Russland seine Flotte im östlichen Mittelmeer. Das Pentagon instruierte seine Streitkräfte bereits über eine Ausweitung der Kriegspläne, und das Außenministerium ordnete an, die Botschaft der libanesischen Hauptstadt Beirut zu evakuieren.

Dabei ist die Zustimmung des US-Parlaments zu einer Militäraktion alles andere als eine beschlossene Sache, wie die dünne 10:8-Mehrheit im außenpolitischen Ausschuss des Senats belegt. Im republikanisch dominierten Repräsentantenhaus überwiegen derzeit noch die skeptischen Stimmen, die auch die Stimmung in der Bevölkerung spiegeln. Die Abstimmung in den beiden Parlamentskammern könnte sich hinziehen, und Obama wird seine ganze Überzeugungskraft aufbringen müssen, um nicht in ein Debakel zu schlittern. Am Dienstagabend will er sich in einer TV-Ansprache an die Nation wenden, um die Notwendigkeit eines Syrien-Kriegs darzulegen.

Die UNO hat ausgedient

Womöglich dient das UN-Hauptquartier in New York zwei Wochen später noch einmal als Forum für die Pro- und Kontrafraktion eines Waffengangs – eine Diskussion, die möglicherweise zu spät kommen wird. So sehr auch Ban Ki-moon und andere versuchten, Zeit für eine Friedenslösung zu gewinnen und, wie schon seit Monaten, erneut Genf als Ort für eine Syrien-Konferenz ins Spiel brachten – die UNO hat als neutrale Plattform und als Vermittler ausgedient.

Niemand formulierte dies prägnanter als die neue UN-Botschafterin der USA, die gebürtige Irin Samantha Power. Dank seiner Vetomacht habe Russland den UN-Sicherheitsrat in Geiselhaft genommen, es gebe daher keinen gangbaren Weg. Die frühere Harvard-Professorin und Exreporterin, die ein mit dem Pulitzerpreis prämiertes Buch über die Geschichte des Genozids verfasst hat, kritisierte Moskau als Schutzmacht des syrischen Diktators Bashar al-Assad – eine Rolle, in der Putin zunehmend seine Muskeln spielen lässt. Er hat darin Übung, wie er im Kosovo- und im Irak-Krieg unter Beweis stellte. Obama erinnerte dagegen an den Völkermord in Ruanda 1994. Die Untätigkeit der Weltgemeinschaft prägte damals eine Generation, darunter Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice – und ihre Nachfolgerin als UN-Botschafterin, Samantha Power.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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