Berliner Spaßwahlkampf: Skurrilitäten und bizarre Blüten

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Der Wahlkampf in Deutschland kann zwar nicht mit nackten Oberkörpern aufwarten, aber mit obszönen Gesten und Pin-up-Girls.

Mehr als eine Woche ist es noch hin bis zur Bundestagswahl in Deutschland, und mit Peer Steinbrücks „Stinkefinger" auf dem Titelbild des Magazins der „Süddeutschen Zeitung" hat der Wahlkampf der Skurrilitäten vorläufig seinen Höhepunkt erreicht. Wahlkämpfe sind Zeiten der Zuspitzung und der Inszenierung, die Macht der Bilder und die Ausstrahlungskraft der Polit-Shows sind nie plakativer. Dass dabei Bayerns SPD-Spitzenkandidat Christian Ude auf einem Plakat Anleihe nimmt bei Bob Dylans Video „Subterranean Homesick Blues", in dem der Popstar die Bedeutung des Texts mit Tafeln noch verdoppelt, ist lediglich ein pophistorisches Apercu.

In den vergangenen Wochen trieb die Wahlkampagne nicht nur in Österreich manch bizarre Blüten, sondern auch in Deutschland - freilich ohne dass sich jemand seinen Oberkörper frei gemacht hätte. Da stimmte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in der letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl im Berliner Reichstag den Titelsong der TV-Serie „Pippi Langstrumpf" an, um den politischen Stillstand im Land zu beschreiben. Das entlockte selbst der Kanzlerin Angela Merkel und Mitgliedern ihres Kabinetts auf der Regierungsbank ein Schmunzeln - und bei manchen auch ein Stirnrunzeln und ein Kopfschütteln angesichts der launigen Gesangseinlage.

Über dem Regierungsviertel an der Spree thront gewissermaßen „König Angela", wie der „Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe titelte. Passend dazu affichierte die CDU die Hände ihrer „Mutti", so Merkels Spitzname in Parteikreisen, auf einer Riesenfläche in der Nähe des Hauptbahnhofs. Ohne Kopf und Oberkörper, frei nach dem Motto: „Deutschlands Zukunft in guten Händen." Für Furore sorgte ihre schwarz-rot-goldene Halskette, die sie beim TV-Duell angelegt hatte und eine Aura von Patriotismus verströmte. Kritiker mäkelten zwar am Personenkult rund um die sonst so biedere „Mater Germaniae", sie selbst gilt als die Personifikation von Gelassenheit und Unaufgeregtheit und darum prallte die Kritik an ihr ab.

„Kohls Mädchen", wie sie zu Beginn ihrer Minister-Zeiten in der Ära Kohl apostrophiert wurde, hatte dies bei ihrem früheren Meister gelernt. „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter", so pflegte der Langzeit-Kanzler das mediale Getöse abzutun.

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Der sieche Alt-Kanzler, der kaum mehr in Erscheinung tritt, störte indessen kurz die Harmonie im „Kanzlerwahlverein". Das FDP-Spitzenduo Philipp Rösler und Rainer Brüderle hatte sich eigens in sein Heim ins pfälzische Oggersheim begeben. Seine zweite Ehefrau Maike Richter schirmt ihn üblicherweise rigide von den Vereinnahmungen durch Parteifreunde und falsche Freunde ab, doch in diesem Fall hatte sie offenkundig nichts gegen die Besucher einzuwenden - und ließ auch gleich ein Foto der schwarz-gelben Troika zirkulieren.

Auch sein ehemaliger Vizekanzler, der langjährige Außenminister und FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher, mischte in einem Wahlkampf mit, bei dem die Liberalen wieder einmal um den Einzug in den Bundestag bangen. Er setzte sich eine gelbe Brille auf. Ob er damit in eine rosige Zukunft sah? Der Auftritt des 86-Jährigen, der grauen Eminenz seiner Partei, erinnerte jedenfalls fatal an den „Spaßwahlkampf" seines einstigen Protegés Guido Westerwelle vor elf Jahren. Die Häme über die „Strategie 18" des selbsternannten „Kanzlerkandidaten" war ihm sicher - und hängt ihm auch heute noch als Außenminister an.

Sein Nachfolger als FDP-Chef, Philipp Rösler, erregte dagegen nur kurz für Aufregung, als die „taz" ein Interview ohne Antworten abdruckte. Die FDP empfand den Fokus des links-alternativen Blattes auf Migrationsfragen und auf seine Biografie - er wurde als neun Monate alter Bub in Vietnam von einem Bundesheer-Offizier adoptiert - als „rassistisch".

Eine exotische Facette, einen Farbtupfer, steuerte auch die Paradelinke Sahra Wagenknecht bei. Die Lebensgefährtin des einstigen SPD- und späteren Linkspartei-Chefs Oskar Lafontaine, die selbst zum Führungsteam der „Linken" gehört, ließ sich in einem Foto-Shooting für die Illustrierte „Gala" zur mexikanischen Kunst-Ikone Frida Kahlo und Geliebten Leo Trotzkis stilisieren. Die 44-Jährige inszenierte sich im Kahlo-Stil und auch im Kurzhaarschnitt zum Pin-up-Girl der deutschen Politik. Die hochgesteckte Frisur ist ansonsten so etwas wie ihr Markenzeichen. Spötter fragten, ob sich Lafontaine nun demnächst als Diego Riveira in Pose wirft - oder doch als Leo Trotzki.

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Berliner Spasswahlkampf Skurrilitaeten bizarre(c) Screenhot/gala.de

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