Schickte Israel "Die Einheit" nach Nairobi?

Angelobung von Sayeret-Matkal-Kämpfern auf der Festung Masada; die Männer dürfen nicht erkannt werden, daher die Balken
Angelobung von Sayeret-Matkal-Kämpfern auf der Festung Masada; die Männer dürfen nicht erkannt werden, daher die Balkenmilitaryphotos.net
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Bei der israelischen Spezialeinheit, die gegen die Geiselnehmer in Nairobi kämpfen soll, dürfte es sich um die legendäre Kommandotruppe "Sayeret Matkal" handeln - in Israel schlicht "Die Einheit" genannt.

Dass die israelische Regierung das am Montag nicht bestätigte und es wohl auch nie tun wird liegt in der Natur der Sache: Gut informierten Kreisen, darunter in israelischen Spezialmedien, zufolge soll nämlich die so sagenumwobene wie legendäre israelische Kommandoeinheit "Sayeret Matkal" den kenianischen Truppen zuhilfe gekommen sein, um die islamistischen Terroristen im Einkaufszentrum "Westgate" in Nairobi auszuräuchern und die Geiseln zu befreien.

Israels Vizebotschafter in Kenia, Yaki Lopez, gab zwar an, dass Israel "vor Ort" sei und "Unterstützung" liefere. Details dazu nannte er nicht, die israelische Militärwebsite "DEBKAfile" hatte freilich am Wochenende berichtet, dass Kenia nach der Geiselnahme einen geheimen Sicherheitspakt mit Israel "aktiviert", also um Hilfe gebeten habe. Darauf seien die Spezialtruppen eingeflogen worden - auch eine nicht näher genannte US-Truppe sei von Basen in Deutschland und Italien aus eingetroffen.

Die Späher des Generalstabs

Was ist Sayeret Matkal? Sayeret bedeutet auf Hebräisch "Späher", "Aufklärer" und bezeichnet grundsätzlich jeden Truppenverband, der für Aufklärungs- und Kommandoeinsätze dient und dabei meist in ganz normale Heeresverbände, in größere Marine- und Luftwaffeneinheiten eingegliedert ist. Jede israelische Brigade verfügt etwa über eine Kompanie (bisweilen ein Bataillon) von solchen Sayeret-Kämpfern für Aufklärung, Kampfunterstützung und Sondereinsätze.

Sayeret Matkal ("Späher des Generalstabes") indes wurde 1957/58 auf Initiative des Offiziers Avraham Arnan (1930-80) gegründet: Er schlug dem Generalstab vor, eine hochqualifizierte Sondertruppe für geheime Einsätze außerhalb der Grenzen Israels zu gründen. Sie sollte dort vor allem aufklären und strategisch wichtige Informationen sammeln, Vorbild war die britische Elitetruppe SAS ("Special Air Service"). Unterstellt ist die Truppe direkt dem israelischen Generalstab bzw. dessen Militärgeheimdienstabteilung "Aman".

Schickte Israel Einheit nach
Schickte Israel Einheit nach

Ihre Mitglieder wurden und werden bis heute einem ultrabrutalen, mehrtägigen Aufnahmetest unterworfen, darauf folgt ein etwa 20monatiges, nicht minder anspruchsvolles Training in Infanterie- und Nahkampf, Fallschirm- und Taucheinsätzen, lautlosem Töten, Terroristenbekämpfung, Sprengstoff- und Fernmeldekunde und eben allem, was ein Elitekämpfer braucht. Die wenigen, die die Tortur überstehen (die Zahl ist unbekannt, dürfte aber jeweils einige Dutzend betragen), werden in einer nächtlichen Feier auf der alten jüdischen Festung Masada am Roten Meer vereidigt. Das Verbandsabzeichen ähnelt einer Lilie mit Schwingen dran, die Soldaten dürfen es allerdings nicht öffentlich tragen, weil sie ihren Status nicht offenbaren dürfen.

Mitte der 1960er gab es erste Aufklärungseinsätze in Syrien und im ägyptischen Sinai, so richtig los ging es aber erst ab dem Sechstagekrieg 1967 und dem Auftstieg der PLO zur Terrororganisation: Nun eröffnete sich der Sayeret Matkal nämlich auch das weite Feld der Terrorbekämpfung.

Arafat war schon im Visier

Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 bekämpfte die Truppe ägyptische Sondereinheiten, die ihrerseits mit Hubschraubern in den (nunmehr israelischen) Sinai eingedrungen waren, auch in den Libanonkriegen von 1982 und 2006 focht die Truppe. 1982 hatten ihre Scharfschützen im Libanon angeblich PLO-Chef Jassir Arafat schon im Visier - sie bekamen aber nicht Befehl, abzudrücken.

Weitere Einsätze waren etwa Sabotagaktionen gegen Brücken, Kraftwerke und Stromleitungen in Ägypten, diverse Befreiungen von Geiseln aus der Hand palästinensischer Kämpfer und die Tötung hoher palästinensischer Funktionäre.

Während der Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München flog ein Sayeret-Kommando nach Deutschland, um Hilfe anzubieten. Die Deutschen nahmen diese aber nicht an und versuchten selbst eine Kommandoaktion, die scheiterte. Insgesamt starben bei der Geiselkrise elf israelische Sportler, fünf Terroristen und ein Polizist.

Kommandos stürmen aus einer Hercules
Kommandos stürmen aus einer HerculesArchiv

Höhepunkt der Sayeret-Aktionen war aber wohl die "Entebbe-Operation" in Uganda im Juli 1976. Palästinensische und deutsche Terroristen hatten ein ziviles Air-France-Flugzeug mit 260 Insassen entführt und nach Uganda entführt, um inhaftierte Gesinnungsgenossen freizupressen.

Die ugandische Regierung unter Präsident Idi Amin hieß die Geiselnehmer willkommen. Eine kombinierte, rund 100köpfige israelische Truppe aus Sayeret Matkal, Fallschirmjägern, Golani-Infanterie und Mossad-Agenten flog darauf ein, stürmte das Flugzeug und flog die Geiseln aus. Alle sieben Geiselnehmer starben, zudem vier Geiseln, etwa 45 ugandische Soldaten - und der Leiter der Einsatztruppe vor Ort, Leutnant Jonathan Netanjahu - der Bruder des späteren und jetzigen israelischen Premierministers.

Auch Premier Benjamin Netanjahu war ein Elitekämpfer.
Auch Premier Benjamin Netanjahu war ein Elitekämpfer.(c) dpa

Auch dieser, Benjamin Netanjahu, war übrigens zeitweise Kommandeur einer Sayeret-Matkal-Einheit. In der Spezialtruppe dienten unter anderen auch der spätere Premierminister Ehud Barak, die späteren Verteidigungsminister Shaul Mofaz und Moshe Yaalon sowie der Maler Michael Kovner.

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