Der verurteilte Ex-Premier zieht Wohltätigkeit dem Hausarrest vor. Pfarrer wollen seine Seele retten, Vereine werben um ihn als Betreuer von Huren oder Therapieclown.
Wien. Der bisher originellste Vorschlag kommt aus Neapel: Silvio Berlusconi soll eine Ausbildung zum Therapieclown machen, schlägt eine Sozialorganisation vor. Damit könnte der frühere Premierminister „seine clowneske Begabung zum Wohle der anderen einsetzen“, etwa für Jugendliche in der Vorstadt, die in den Dunstkreis der Mafia geraten sind. Denn, so das Konzept, gerade labile Menschen in Schwierigkeiten brauchen oft nichts mehr als ein Lächeln.
Anfang August wurde der 77-Jährige wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt. Dank eines Gesetzes, das er für sich maßschneidern ließ, bleibt ihm das Gefängnis erspart. So bleibt ihm die Wahl zwischen einem Jahr Hausarrest oder Sozialdienst. Am Sonntag gab der Multimilliardär überraschend bekannt, dass er sich für den Sozialdienst entschieden hat. Prompt umwerben ihn nun Dutzende Wohltätigkeitsorganisationen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Bisher hatte Berlusconi die Sozialarbeit als „entwürdigend“ abgelehnt. Aber bei einem luxuriösen Hausarrest in seinem Palast bei Mailand könnte er seine Kinder oder Mitstreiter nur nach Gerichtsbeschluss sehen. Die Sozialarbeit bietet mehr Freiraum und dauert bei guter Führung drei Monate kürzer. Um seine Vasallen unter Kontrolle zu haben, will der Verurteilte seinen wohltätigen Dienst in Rom antreten. Ein ligurischer Priester würde ihn lieber in seiner Pfarre bei Genua sehen. Dort könnte sich der Herr der Bunga-Bunga-Partys um junge Prostituierte kümmern, die „unter Prügeln nach Italien kommen und sich hier auf der Straße verkaufen müssen“.
Kollege Don Mazzo hat da Bedenken: „Wenn man ihn mitten unter Prostituierte bringt, wird er noch ihr Held.“ Der 84-jährige Pfarrer gründete den bekannten Verein Exodus, der Drogenabhängige betreut. In „La Repubblica“ empfiehlt er ein „Bad der Demut“. Berlusconis Seele sei noch zu retten. Er müsse nur in sich gehen und in aller Stille „Tomaten anpflanzen“, „fern der Höflinge, die ihn umschmeichelt haben, bis er sich wie Gott fühlte“. Welche Arbeit der Steuerhinterzieher tatsächlich antreten muss, wird die Staatsanwaltschaft bis Jahresende entscheiden – und vermutlich nichts wählen, was den Medienrummel um den Medienzar neu entfacht.
Entzug des „Cavaliere“ droht
Bis Monatsende muss der Senat entscheiden, ob Berlusconi sein Mandat verliert. Dem Cavaliere könnte auch sein legendärer Ehrentitel „Ritter der Arbeit“ entzogen werden. Für ein Bauprojekt hatte er ihn 1977 vom Staatspräsidenten erhalten, wie 25 verdiente Unternehmer jedes Jahr. Als Erster verlor der korrupte Parmalat-Gründer Calisto Tanzi den Titel. Dass er sich als unwürdig des „Rittertums“ erwiesen hatte, befand vor drei Jahren ein Interimsminister für wirtschaftliche Entwicklung. Sein Name: Silvio Berlusconi. (gau)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2013)